02.08.2005
Warum Frau Merkel beim TV-Duell kneifen will
Angela Merkel hat keine Zeit. Das versichern ihre Sprecher. Sie hat keine Zeit, um zu George W. Bush zu fahren. Sie hat keine Zeit, Millionen von Menschen in einem TV-Duell ihre Politik zu erklären. Zeit hat sie nur für einen ausgedehnten Opernbesuch in Bayreuth. Eine seltsame Prioritätensetzung ist das. Aber vielleicht liegt es ja nicht nur daran: Zu Bush flog sie nicht, weil sie nicht an ihre Haltung beim Irak-Krieg erinnert werden wollte. Und das TV-Duell? „Jeder weiß, was die wahren Gründe sind, und natürlich weiß auch sie, dass es jeder weiß: Sie fürchtet, ihr Gegner sei ihr im direkten Vergleich haushoch überlegen.“ schreibt der Tagesspiegel. Merkel weiß, wie gut Schröder ist. Ein Duell ist ihr mehr als genug.
Am Sonntag war der Bundeskanzler bei Sabine Christiansen und erhielt viel Lob. Der Kanzler war „schlagfertig, entschlossen, gut präpariert, noch besser gelaunt, mit einem Wort: souverän“, schreibt die Welt heute. Kurz zuvor war Angela Merkel im Sommerinterview der ARD zu sehen. Die Kandidatin war „eher spröde, fast genervt“ schreibt die Süddeutsche Zeitung. „Mit dem Auftritt bei Christiansen wird noch einmal klar, warum die Union TV-Duelle ihrer Kandidatin mit dem Kanzler auf die kleinstmögliche Anzahl begrenzen will“, schreibt die Welt. Also drücken sich CDU/CSU vor einem zweiten Fernsehduell. Dabei sind auch die TV-Sender für zwei Duelle „Die Fernsehleute waren überrascht von der Hartleibigkeit der CDU-Delegation“, schreibt das Handelsblatt. Allenfalls ein bisschen länger als sechzig Minuten könne man es machen, verkündeten Merkels Helfer. Die CSU springt der zögernden Kandidatin nun zur Seite. Vielleicht fühle sie sich ja in einer großen Runde mit allen Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien wohler, sagt man da.
„Doch verloren hat Angela Merkel jetzt schon, ein bisschen. Denn sie hat Angst vor einer Blamage gezeigt, und dieser Eindruck wird bleiben.“ heißt es im Tagesspiegel. Vielleicht sollte Angela Merkel einfach mal nicht zögern und taktieren, sondern zupacken. Schließlich bescheinigt ihr treu die Rheinische Post: „Auch sie kann inzwischen meisterhaft mit Kameras flirten.“ Na dann.
Der Tagesspiegel erkennt, wo Merkels Befürchtungen liegen. Sie hat keine politischen Ideen, die sie vertreten kann. Schlechtreden allein genügt eben nicht. „Schröder konnte begründen, warum er seine und keine andere Politik gemacht hat und wie er weiter regieren würde. Von Merkel kennen wir, einmal abgesehen von der Mehrwertsteuererhöhung, bisher wenig Präzises. Mit Absichtserklärungen, dazu manchen wolkigen, kann man wohl gerade noch ein überschaubares Publikum für sich gewinnen. Eine direkt übertragene Fernsehdebatte allerdings steht so niemand durch.“
Beim TV-Duell geht es darum, einem breiten Publikum die eigenen Ideen vorzustellen und mit dem Konkurrenten zu diskutieren. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann sich dann ein eigenes Bild machen. „Wer ist der/die Bessere, dies Land zu regieren, ist doch eine der zentralen Fragen, über die am 18. September zu entscheiden ist“ (Frankfurter Rundschau).
Zum Nachlesen:
• Souverän vor dem Souverän, Die Welt, 02.08.2005, S.3.
• Die Wir-Botschaft, Süddeutsche Zeitung, 02.08.2005, S.17.
• Live ist das Leben, Der Tagesspiegel, 02.08.2005 S.1.
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