11.08.2005
Stoiber hat den Bogen überspannt - Chaoswoche bei CDU/CSU
Einen „Sturm der Entrüstung“ (Süddeutsche Zeitung) hat Edmund Stoiber entfacht. Er hatte pauschal die ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger angegriffen. Es dürfe nicht sein, dass die „Frustrierten über das Schicksal Deutschlands bestimmen“ (dpa). Keine Einzelmeinung: Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, schoss neulich in Pforzheim in die selbe Richtung. CDU-Mann Heinz Eggert bringt es auf den Punkt: „Wer wie Stoiber redet, ist kein Demokrat“ (Hannoversche Allgemeine Zeitung). Noch um 1.37 Uhr sollte eine CSU-Pressemitteilung Stoibers Getöse abmildern. Doch Stoibers Wählerbeschimpfung war nicht zu erklären. Was blieb? „Schweigendes Entsetzen, wütende Kritik“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung).
Wie schreibt die taz heute: „Keiner ist frustrierter als Dr. Edmund Stoiber.“ In der Tat sitzt die Enttäuschung über die Niederlage 2002 tief. Und: Er hält Angela Merkel wohl nicht für die geeignete Kandidatin. Die Frankfurter Rundschau kommentiert: „Stoibers politische Rhetorik nährt Zweifel an der Loyalität des Christsozialen zu Kanzlerkandidatin Angela Merkel.“ Edmund Stoiber will einen möglichst großen Erfolg der CSU in Bayern, um seine Machtposition innerhalb der Union zu stärken – mit welchem Ziel auch immer. Angela Merkel muss sich umschauen.
Stoiber hat sich nicht unüberlegt in Rage geredet, sondern kühl taktiert. „Wir können mit Merkel im ganzen Osten gar nicht so viele Stimmen gewinnen, wie wir mit ihr in Bayern und Baden-Württemberg verlieren können“ zitiert die Financial Times einen Vertrauten Stoibers.
„Das Stoiber-Konstrukt und der folgende rhetorische Eiertanz in der zweiten Unionsreihe bei stundenlanger Sprachhemmung der Kandidatin Merkel“ (Frankfurter Rundschau), beschäftigte gestern die Öffentlichkeit. Und alle großen Zeitungen berichten heute auf der Titelseite über Stoiber. Einzig die Bild-Zeitung verzichtet darauf. Bei Angela Merkel: Schweigen. „Wenn es ein Krisenmanagement von Angela Merkel und ihren Leuten geben sollte, so arbeitet es auch an diesem Tag weitgehend unbemerkt“ formuliert die Financial Times. Und die Ministerpräsidenten? Rüttgers, Koch und Wulff, selbst Müller und Althaus springen ihr nicht zur Seite.
Angela Merkel hat sich gestern Abend in der ZDF-Sendung „Berlin Mitte“ nicht ausdrücklich von Edmund Stoiber distanziert. Sie versuchte, vieles schön zu reden: Schönbohms Äußerungen, Stoibers Beleidigungen, den Streit mit der FDP, die Mehrwertsteuererhöhung, ihre flexible Haltung in der Irak-Frage und vieles mehr. Ohne Versprecher, ohne grobe Patzer und ohne Inhalte präsentierte sich Merkel gestern den Fernsehzuschauern. Bald wird sie an der Berliner Runde des ZDF und der Münchner Runde des BR teilnehmen. Nur zur Erinnerung: Für ein zweites TV-Duell mit dem Kanzler hatte sie keine Zeit.
Edmund Stoiber und die CDU/CSU spalten das Land. Die Welt meint: „Die deutsche Einheit ist eine der Bewährungsproben bei dieser Wahl. Die Union hat von Brandenburg bis Bayern gerade nicht bewiesen, dass sie ihr gewachsen ist.“ Die Frankfurter Rundschau bringt es auf den Punkt: „Die Union ist meilenweit davon entfernt, künftig eine integrative Kraft für dieses verunsicherte Land zu sein.“
Zum Nachlesen:
· Wie unter uns, Frankfurter Rundschau, 12.08.2005, S. 3.
· Schweigendes Entsetzen, wütende Kritik, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.08.2005, S. 3.
· Liebesgrüße aus Bayern, Financial Times Deutschland, 12.08.2005, S. 25.
· Der Allzuständige, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.08.2005, S. 3.
· Bayerisches Grollen, Die Welt. 12.08.2005, S. 3.
· Stoibers Einheit, Die Welt, 12.08.2005, S. 1.
Lesen Sie unten als PDF-Download auch eine Pressemitteilung der SPD-Landesvorsitzenden und Parl. Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern, Ute Vogt, zu den jüngsten Äußerungen des bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber.
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