„Ohne Glanz“ - Am 17.08. stellte Angela Merkel ihr Schattenkabinett vor
Am Mittwoch stellte Angela Merkel ihre Mitspieler vor. „Es glich der Szenerie eines Modesalons, wo die Direktrice nacheinander besondere Modelle präsentierte.“ schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Doch Haute Couture ist das nicht, was die Kandidatin da aufbietet. „Team ohne Teamgeist“ schreibt heute die Zeit. Das Problem: Niemand weiß, wer wirklich Minister werden soll, wer nur Platzhalter oder Sprachrohr für den Wahlkampf ist. Niemand weiß, welche Rolle Edmund Stoiber in Zukunft spielen will. Merkel formulierte das so: „Über Edmund Stoiber und seine Rolle haben wir gemeinsam und jeder für sich alleine oft gesprochen.“
Dieter Althaus ist zuständig für den Aufbau Ost und ein „inzwischen schon erfahrener Ministerpräsident“, wie Merkel ihn beschrieb. Wolfgang Schäuble soll die Außen- und Sicherheitspolitik machen – vor weniger als einem Jahr wollte Merkel ihn noch aus diesem Aufgabenfeld abziehen. Gerda Hasselfeldt, zuständig für den Verbraucherschutz (der ja keine große Rolle mehr spielen soll), die Landwirtschaft und die Atomkraftwerke, arbeite „lautlos, aber erfolgreich“, meinte Merkel. „Vorne, in der Mitte, lächelt glückselig wie eine Einser-Schülerin die niedersächsische Ministerin Ursula von der Leyen“, meint die Süddeutsche Zeitung. Und weiter: „Die meisten aus Merkels Team sind lange bekannt, die Unbekannten wie der für Kultur zuständige Norbert Lammert für die wenigsten interessant.“
Paul Kirchhof wird von der FDP und der Wirtschaft begrüßt: Eine Ökonomisierung der Politik und einen schwachen Staat sind auch ihre Ziele. Die Zeit lobt heute sein intellektuelles Niveau, doch: „Kirchhofs Schwäche ist die fehlende Machtbasis in der Partei und in der Fraktion.“ Dazu kommt, dass die Finanzminister von CDU und CSU seine Pläne 2004 klar abgelehnt haben. „Nicht kompatibel mit der Union“ schreibt die Berliner Zeitung heute. Hochfliegende Pläne habe der Ex-Verfassungsrichter, schreibt die Zeit, „mal sehen, wie hoch er wirklich fliegt. Und wie lange.“
Einen klaren und ehrlichen Wahlkampf machen CDU/CSU nicht. Besonders deutlich wird das in der Familienpolitik: Ursula von der Leyen soll eine moderne CDU/CSU verkörpern. Paul Kirchhof steht dagegen für ein erzkonservatives Familienbild, das dazu nicht passt. Also nichts mit Merkels „Politik aus einem Guss“. „Der Vater, hat Kirchhof noch vor drei Jahren geschrieben, ist für die ökonomischen Grundlagen der Familie zuständig, die Mutter macht in der Familie Karriere. Welche junge Frau, welcher junge Mann will oder kann sich daran orientieren? Nicht weniger unglaubwürdig ist das Gegenteil, Modell von der Leyen, berufstätige Mutter von sieben Kindern. Von den ganz normalen Härten des (Familien-)Lebens sind beide weit entfernt“, analysiert der Tagesspiegel richtig.
Die Vorstellung des Teams wird der CDU/CSU nach einigen Chaoswochen wieder etwas Auftrieb geben. Doch: „Das Selbstvertrauen der Akteure ist geschwunden, sie wirken kleinmütiger und ängstlicher“ schreibt die Zeit. Klar ist: Merkels Mitspieler sind nur die B-Mannschaft, die Granden von CDU/CSU sind nicht dabei. Loyalität geht Merkel eben vor Kompetenz. „Und doch kann die eher virtuelle Rolle der Merkel-Mannschaft die Machtposition der Landesfürsten nicht wettmachen“ (Die Zeit). Ein Team „ohne Glanz“ bescheinigt Merkel die Sächsische Zeitung. „Personell ist Merkel eher mittelmäßig aufgestellt. Und inhaltlich fehlt ihr noch eine zündende Idee, um eine politische Aufbruch- und Wechselstimmung verstärken zu können. Das eine hat mit dem anderen sehr wohl etwas zu tun.“
Zum Nachlesen:
• Die zufriedene Direktrice führt ihre Modelle vor, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.08.
• Nicht kompatibel mit der Union, Berliner Zeitung, 18.08.2005, S.6.
• Vom Leben überholt, Der Tagesspiegel, 18.08.2005, S.1.
• „Chaos bei der Union“, Frankfurter Rundschau, 18.08.2005, S.4.
• Team ohne Teamgeist, Die Zeit, 18.08.2005, S.4.
• Angriffslust nach dem großen Frust, Süddeutsche Zeitung, 18.08.2005, S.3.
• Ohne Glanz, Sächsische Zeitung, 18.08.2005, S.4.