01.07.2004
Unsere Steuerpolitik ist sozial gerecht
Stellungnahme von Joachim Poss, Finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion zur Kritik der Gewerkschaften vom 01. Juli 2004
Von Seiten der Gewerkschaften wird mehr Steuergerechtigkeit gefordert und eine stärkere Belastung der Reichen und Entlastung der Armen. Es wird auch behauptet, die Regierung habe durch die Reform der Körperschaftsteuer 40 Milliarden Euro bewusst verschenkt. Sicher kann man die soziale Gerechtigkeit in der Steuerpolitik immer noch verbessern und der Fall Vodafone zeigt, dass weiterer Handlungsbedarf bei der von uns durchgesetzten Mindestgewinnbesteuerung für Großunternehmen besteht. Dennoch sind die schweren Vorwürfe insbesondere der Gewerkschaft Verdi nicht gerechtfertigt.
1) Arme wurden stärker als Reiche entlastet, Steuerschlupflöcher wurden geschlossen
Den Löwenanteil an der Lohn- und Einkommensteuer in Deutschland tragen die Steuerpflichtigen mit den höheren Einkommen.
Fünf Prozent der Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen tragen 42,8 Prozent des Lohn- und Einkommensteueraufkommens. Zehn Prozent der Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen tragen 54 Prozent des Lohn- und Einkommensteueraufkommens. Die 20 Prozent der Steuerpflichtigen mit den geringsten Einkünften tragen überhaupt nichts zum Lohn- und Einkommensteueraufkommen bei.
Die Gesamtentlastung für die privaten Haushalte durch die Steuerreform 2000, deren letzte Stufe 2005 wirksam wird, beträgt mehr als 40 Milliarden Euro. Am deutlichsten ist die Entlastung bei den Steuerpflichtigen mit kleinen und mittleren Einkommen. Sie werden prozentual stärker entlastet als hohe Einkommen.
Bei Einkünften bis 15.000 Euro werden Steuerpflichtige im Jahr 2004 um 26 Prozent im Vergleich zu ihrer bisherigen Steuerschuld entlastet. Bei Einkünften bis 30.000 Euro beträgt die Entlastung zwölf Prozent. Die Steuerpflichtigen mit Einkünften oberhalb von 100.000 Euro werden im Vergleich zu ihrer bisherigen Steuerschuld aber nur um sechs Prozent entlastet.
Natürlich sind die absoluten Entlastungssummen für Steuerpflichtige mit hohen und insbesondere höchsten Einkommen größer als bei Geringverdienern. Das ist aber zwingende Konsequenz der progressiven Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die wir gegen die Gleichmacher- oder Stufenmodelle der anderen Parteien ja vehement verteidigen. Mondbeispiele, wie das der IG Metall, die behauptet hat, Spitzenverdiener werden im Jahr 2005 um über 60.000 Euro entlastet, sind zwar theoretisch richtig berechnet, aber praktisch irrelevant. Denn wie viele Steuerpflichtige verdienen mehr als zwei Millionen Euro jährlich?
Ab 2005 zahlen Familien mit zwei Kindern unter Berücksichtigung des Kindergelds erst dann Steuern, wenn ihr Bruttoeinkommen höher als 37.540 Euro ist. 1998 musste diese Familie bei diesem Einkommen noch 2.924 Euro Steuern zahlen. 1998 war diese Familie bereits ab einem Bruttoeinkommen von 28.800 Euro steuerbelastet.
Seit dem Amtsantritt der neuen Regierung im Jahr 1998 wurden eine Vielzahl (über 70 Maßnahmen) von Steuervergünstigungen abgeschafft, die in erster Linie den Beziehern hoher Einkünfte genutzt haben.
Beispielhaft genannt seien hier die Abgrenzung privater und betrieblicher Schuldzinsen (Missbrauch durch Zwei- und Mehrkontenmodelle), die Verlängerung der Spekulationsfristen bei Wertpapier- und Immobilienveräußerungen sowie eine geänderte Bewertung von Privateinlagen in das Betriebsvermögen. Auch die Mindeststeuer für natürliche Personen, die mittlerweile wegen des Schließens der vielen Steuerschlupflöcher entbehrlich geworden und abgeschafft worden ist, hat dazu geführt, dass Einkommensmillionäre sich vor dem Finanzamt nicht mehr arm rechnen konnten. Das stark gestiegene Steueraufkommen bei dem Millionärs-Finanzamt Bad Homburg vor der Höhe belegt diesen Erfolg unserer Steuerpolitik. Heute bezahlen Einkommensmillionäre fast sechs Milliarden Euro mehr Steuern als vor vier Jahren.
2) Körperschaftsteuerrückgang im Jahr 2001
Der von Frank Bsirske angesprochene Rückgang der Körperschaftsteuer von 46,1 Milliarden DM (nicht Euro) auf minus 0,8 Milliarden DM im Jahr 2001 ist eine Besonderheit des Jahres 2001 und hat im Wesentlichen drei Ursachen gehabt:
a) Die Senkung des Körperschaftsteuertarifs für einbehaltene Gewinne von 40 Prozent und für ausgeschüttete Gewinne von 30 Prozent auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent hat zu Steuermindereinnahmen von 15,7 Milliarden DM geführt. An der Notwendigkeit, die Steuersätze zu senken, um die Attraktivität des Standortes Deutschland zu erhöhen, konnte auch im Jahr 2001 kein Zweifel bestehen. Ansonsten wären wir angesichts der mittlerweile vollzogenen Osterweiterung der Europäischen Union heute nicht mehr wettbewerbsfähig.
b) Mit dem Steuersenkungsgesetz 2000 wurde das so genannte Halbeinkünfteverfahren eingeführt. Zum Zeitpunkt der Systemumstellung bei der Körperschaftsteuer besaßen die Kapitalgesellschaften noch so genanntes Anrechnungsguthaben von mehr als 70 Milliarden DM. Dieses Guthaben wird realisiert, indem die Ausschüttung (Steuer 30 Prozent) von zunächst einbehaltenen Gewinnen (Steuer 40 Prozent) an die Aktionäre erfolgt. Eine Streichung dieser Erstattungsansprüche wäre verfassungsrechtlich nicht zulässig gewesen. Aus diesem Grunde wurde den Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt, das Steuerguthaben über einen Zeitraum von 15 Jahren zu realisieren.
Unerwartet haben die Unternehmen aber bereits im ersten Jahr in einem nennenswerten Umfang Ausschüttungen vorgenommen. Damit hatte die Bundesregierung nicht gerechnet, weil der persönliche Steuersatz der Aktionäre, die diese Ausschüttungen natürlich auch versteuern mussten, in der Folgezeit durch die Stufen der Steuerreform weiter sank. Das sprach dafür, dass die Ausschüttungen zeitlich später vorgenommen werden würden.
So wurden 2001 bereits Körperschaftsteuererstattungen in Höhe von gut 14 Milliarden DM bewirkt. Im gleichen Zeitraum ist jedoch das Aufkommen der Kapitalertragsteuer (als Vorauszahlung auf die persönliche Einkommensteuer der Aktionäre) um gut 14 Milliarden Euro gestiegen. Per Saldo ergab sich also kein Verlust für den Fiskus.
c) Die abgeschwächte Konjunktur hat ihre Spuren auch beim Körperschaftsteueraufkommen hinterlassen. Das ließen bereits die rückläufigen Körperschaftsteuervorauszahlungen im Jahr 2001 erkennen.
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