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28.06.2004

Einigung über das Zuwanderungsgesetz

 

Stellungnahme des Stellv. Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim Hacker, des Innenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Dieter Wiefelspütz, sowie der Abgeordneten Dr. Michael Bürsch und Rüdiger Veit:

Mit den Zwischenergebnissen der eingesetzten Arbeitsgruppe und der politischen Verständigung zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Opposition ist es Innenminister Otto Schily gelungen, die Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz erfolgreich abzuschließen. Die wesentlichen Punkte des Kompromisses sind:



I.   Arbeitsmigration

·          Das Auswahlverfahren (Punktesystem) zur bedarfsabhängigen Steuerung der Arbeitsmigration wird gestrichen.

·          Das Prinzip des Anwerbestopps (Arbeitsmigration nur im Rahmen der Zulassung durch Verordnung) wird im Wesentlichen beibehalten. Es gibt zwei Durchbrechungen: Im Einzelfall kann im öffentlichen Interesse eine Ausnahme für qualifizierte Beschäftigungen gemacht werden. Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten können – solange die Übergangsregelungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit gelten – unter Beachtung des Vorrangs Deutscher und freizügigkeitsberechtigter EU-Bürger für qualifizierte Beschäftigungen zum Arbeitsmarkt zugelassen werden.

·        Die Attraktivität Deutschlands für Nachwuchskräfte aus dem Ausland wird erhöht: Die verbesserten Rahmenbedingungen für Hochqualifizierte, Selbständige und Studenten haben wir durchgesetzt. Hochqualifizierten wird künftig ein attraktives Angebot gemacht werden können, indem bereits mit der Einreise die Erteilung einer (unbefristeten) Niederlassungserlaubnis möglich sein wird. Auch Selbständigen kann bereits nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Studenten wird erlaubt sein, wissenschaftliche Nebentätigkeiten auszuüben bzw. an 180 Tagen halbtags oder an 90 Tagen ganztags zu arbeiten. Schließlich werden ausländische Studenten nach erfolgreichem Abschluss die Möglichkeit bekommen können, in Deutschland einen entsprechenden Arbeitsplatz zu suchen, um dann dauerhaft in Deutschland zu bleiben.

II.         Humanitäre Zuwanderung

·          Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung werden als Flüchtlinge anerkannt. Wir beseitigen damit eine unzureichende Gesetzeslage und sichern mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen angemessenen Schutz.

·          Personen, die beispielsweise wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung nicht in ihre Heimat zurückkehren können, werden künftig in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Damit wird gesichert, dass sie nicht nur geduldet werden. (sog. Subsidiärer Schutz).

·          Ist eine Aufenthaltsbeendigung insbesondere aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, so wird spätestens nach 18 Monaten eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Ausländer die Unmöglichkeit seiner Ausreise selbst verschuldet hat, etwa weil er über seine Identität getäuscht hat. Kettenduldungen wird es danach nicht mehr geben.

·          Mit der sogenannten Härtefallklausel wird eine Möglichkeit geschaffen, aus humanitären Gründen besonders gelagerten Einzelfällen gerecht werden zu können. Auf Ersuchen einer Härtefallkommission kann im Einzelfall von den sonst geltenden gesetzlichen Voraussetzungen abgesehen und eine Aufenthaltserlaubnis gewährt werden. Die Einrichtung dieser Härtefallkommissionen liegt in der
Verantwortung der Länder.

·        Der Wunsch nach einer Altfall- / Bleiberechtsregelung – bislang nicht Gegenstand des Zuwanderungsgesetzes – konnte nicht aufgegriffen werden. Die SPD-Bundestagsfraktion wird auf die hierzu diskutierten Sachverhalte zurückkommen.

III.         Integration 

·          Für Neuzuwanderer bleibt es beim „Anspruchsmodell“. Sie haben einen Anspruch aber auch eine Pflicht zur Teilnahme. Die Sanktionsmöglichkeit ist modifiziert, im Kern aber unverändert. Wer sich seiner Pflicht entzieht, muss damit rechnen, dass sein Aufenthalt nicht verlängert wird, soweit die Entscheidung im Ermessen der Ausländerbehörde steht. Ausländer, die bereits in Deutschland leben, können zur Teilnahme verpflichtet werden, solange sie Sozialleistungen beziehen oder ein besonderer Integrationsbedarf festgestellt wird. Hierfür werden jährlich etwa 50.000 Plätze zur Verfügung stehen. Für Bezieher von Sozialleistungen kann eine Pflichtverletzung zu einer 10%igen Leistungskürzung führen.

·          Der Bund übernimmt die Kosten der Integrationskurse und wird die nähere Ausgestaltung im Rahmen einer Integrationsverordnung regeln. Die sozialpädagogische Begleitung und die Kinderbetreuung liegt in der Verantwortung der Länder. Unabhängig davon befindet sich ein neues Konzept des Bundes für die Ausländersozialberatung in Erarbeitung.

IV.       Kindernachzug/Spätaussiedler

·          Beim Kindernachzug bleiben wir beim geltenden Recht: Damit wird einerseits das Nachzugsalter von 16 Jahren nicht auf 12 Jahre abgesenkt, andererseits bleibt es bei einer engen Ausnahmeregelung für den Nachzug vom vollendeten 16. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Kinder von Asylberechtigten und nunmehr auch Kinder von anerkannten Flüchtlingen können hingegen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nachziehen.

·          Familienangehörige von Spätaussiedlern müssen künftig Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen, wenn sie im Aufnahmeverfahren nach Deutschland kommen wollen. Das ist ein Erfolg, auch wenn wir gerne ein höheres Sprachniveau (ausreichende Sprachkenntnisse) festgelegt hätten. 

IV.       Sicherheitsaspekte

·          Mit der von uns entwickelten Abschiebungsanordnung kann der Aufenthalt von Ausländern, von denen eine terroristische Gefahr oder eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, rasch beendet werden. Die Abschiebungsanordnung kann von den obersten Landesbehörden und bei besonderem Bundesinteresse durch den Bund erlassen werden. Ein rechtsstaatliches Verfahren bleibt in einer Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht garantiert.

·          Schleuser sind künftig zwingend auszuweisen, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Wir haben erreicht, dass dies nur gilt, wenn die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

·          Die Tatbestände, bei denen eine Ermessensausweisung in Betracht kommt, werden zielgenau ergänzt. Wer öffentlich schwere Verbrechen billigt oder zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt, muss damit rechnen, ausgewiesen zu werden. Die Bestimmung lehnt sich an das Strafgesetzbuch, §§ 130, 140 StGB, an.

·          Bereits heute werden im Einbürgerungsverfahren Erkenntnisse über eine verfassungsfeindliche Betätigung abgefragt. Das Gesetz schreibt diese Regelanfrage im Einbürgerungsverfahren und bei Erteilung einer Niederlassungserlaubnis fest.

VI.       Verteilungsregelung / Verwaltungsverfahren

·          Das Verfahren wird vereinfacht: Mit dem Zuwanderungsgesetz wird die Vielzahl verschiedener Aufenthaltstitel auf zwei Formen beschränkt. Künftig gibt es nur noch die (befristete) Aufenthaltserlaubnis und die (unbefristete) Niederlassungserlaubnis. Zugleich wird in einem Akt über die Aufenthalterlaubnis und die Arbeitserlaubnis entschieden. Doppelte Behördengänge gehören der Vergangenheit an (one-stop-government).

·        Schließlich greifen wir den Wunsch des Landes Nordrhein-Westfalen auf, eine Verteilungsregelung für unerlaubt eingereiste Ausländer zu schaffen, die nicht asylverfahrensrechtlichen Regelungen unterliegen. Hierdurch wird künftig gewährleistet, dass Länder und Kommunen gleichmäßiger belastet werden.



 
 
 
 
 
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