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30.08.2005

Merkels falscher Gründermythos

 

Am Wochenende feierte die CDU Helmut Kohl und Angela Merkel auf dem Parteitag in Dortmund. Mit Akrobaten, Musikbands und viel Inszenierung wurde gefeiert. Die Süddeutsche Zeitung beschreibt den Parteitag so: „Dröhnende Beats, ergriffene Blicke, die Nummern-Revue der Ministerpräsidenten“.

 

Angela Merkel, die Meisterin des Schlechtredens, versucht nun, etwas Optimismus zu schaffen. Deutschland befinde sich in den zweiten „Gründerjahren“, meint sie. Diese Wahl sei so wichtig wie 1949, sagt sie. Es ist ein komisches Bild, das Angela Merkel da zeichnet. Millionen Menschen hungerten, hatten kein Dach über dem Kopf, ihre Familien waren zerstört – das war sie Situation nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit dem Deutschland von heute hat dies nichts zu tun.

 

Mit der Beschwörung eines Gründermythos will Merkel Emotionen für ihre Anhänger schaffen. „Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg lag dieses Land in Schutt und Asche. Und da hat es Menschen gegeben, die haben gesagt, wir wollen dieses Land aufbauen. (…) Und heute im Jahr 2005, stehen wir wieder vor einer solchen Weichenstellung.“ Das sagte die Kandidatin schon beim CDU-Wahlkampfauftakt in Essen. Das ist keine seriöse Analyse der jetzigen Situation. Der Vergleich zur Nachkriegszeit schürt Ängste. Er verunsichert die Menschen, statt sie zu ermutigen.

 

Trotz des Krisenbildes, der Abgrund-Rhetorik mit der die Kandidatin arbeitet, entwickelt Angela Merkel keine Lösungen. Im Gegenteil: Die Wirtschaft soll’s richten. Frau Merkels Botschaft ist klar: Wir müssen alles der Wirtschaft unterordnen. Unsere Botschaft dagegen heißt: Für neue Arbeit müssen wir die Wirtschaft in die Pflicht nehmen. Wem nützt denn die Klientelpolitik der Union? Die Abschaffung von Pendlerpauschale und Nachtzuschlägen? Nicht dem Busfahrer. Nicht der Krankenschwester. Mit dem kalten Egoismus der Marktradikalen will Angela Merkel ihr selbstgezeichnetes Bild des Untergangs lösen? Das kann nicht funktionieren.

 

Um Inhalte geht es der CDU nicht. „Niemand meldet sich für eine Debatte zu Wort. Fast wie zum Hohn auf das, was Parteitage sonst ausmacht, steht links der Bühne ein Schild für ‚Wortmeldungen‘ (Süddeutsche Zeitung). Nötig wäre es. Das Programm der Kandidatin steht in der Kritik: Die eigenen Ministerpräsidenten opponieren gegen Kirchhofs Konzept. Kein Wort verliert Merkel dazu. Der ominöse „Kinderbonus“ bei der Rentenversicherung wird von den Experten Bert Rürup und Bernd Raffelhüschen, dem Verband der Rentenversicherungsträger oder dem DIW klar kritisiert. Frau Merkel hat keine vernünftigen Ideen, um ihr selbstgezeichnetes, unangebrachtes Krisenszenario zu lösen. Da hilft auch kein neues Beratergremium.

 

Dagegen steht unsere Reformpolitik: Wirtschaftsmagazine wie Capital und Economist loben uns und machen Stimmung für die deutsche Wirtschaft: „Deutschland holt auf“. Das wissen alle außer Frau Merkel. Doch Merkels Politik und Schlechtreden spaltet. Sie gefährdet den Zusammenhalt und damit die Stärke unserer Gesellschaft. Die Kopfpauschale, die Einheitssteuer, die Studiengebühren, das Frauen- und Familienbild der Merkel-CDU – all das spaltet.

 

Wir stehen für eine zivile Gesellschaft, den Zusammenhalt, das Miteinander. Wir stellen den Mensch in den Mittelpunkt: Bei der Bürgerversicherung, den Ganztagsschulen, der Kinderbetreuung, unserer Friedenspolitik. Deutschland steht vor schwierigen Herausforderungen. Doch wir malen den Menschen nicht den Untergang aus, spielen nicht mit irgendwelchen Mythen, sondern zeigen Lösungen und Perspektiven auf. Wir haben schon viel angepackt. Und werden es weiter tun. 

 

Zum Nachlesen:

    Zirkusvorführung ohne Drahtseilakt, Süddeutsche Zeitung, 29.08.2005, S.3.

    Rentenexperten warnen vor Kinderbonus, Handelsblatt, 29.08.2005, S.3.



 
 
 
 
 
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