12.12.2005
Keine moralisierende Hetzjagd gegen Schröder wegen seines Engagements bei Gazprom
Lothar Mark empfiehlt den Brief seines Fraktionskollegen Reinhard Schultz zur Lektüre:
Liebe Genossinnen und Genossen,
angesichts der aufgeheizten Debatte um die Entscheidung von Gerhard Schröder, das Mandats als Aufsichtsratsvorsitzender an der Bau- und Betreibergesellschaft der Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland zu übernehmen, möchte ich dringend vor einer moralisierenden Hetzjagd warnen. Ich halte die laufende Diskussion zu großen Teilen für heuchlerisch und selbstgerecht. Aktiven Politikern aus FDP, CDU und auch SPD wird es zu Recht nicht verwehrt, Aufsichtsräten von großen Unternehmen anzugehören. Mir im Übrigen auch nicht. Aber einen ehemaligen Bundeskanzler, der sich aus der aktiven Politik zurückgezogen hat und nun jede berufliche Freiheit genießt, derart öffentlich vorzuführen, ist in meinen Augen unpassend.
Ich glaube ganz im Gegenteil, dass der Aufsichtsratsvorsitz von Gerhard Schröder im wohlverstandenen Interesse von Deutschland ist. Wenn in dieser gemeinsamen Pipeline-Gesellschaft - mit den Minderheitsgesellschaftern Eon AG und Wintershall AG sowie dem Mehrheitsgesellschafter Gazprom – Gerhard Schröder als ehemaliger deutscher Spitzenpolitiker und Mann allseitigen Vertrauens den Vorsitz im Aufsichtsrat übernimmt, dann hilft das dem Interessenausgleich und dem Gelingen des energiepolitisch bedeutendsten Projekts der nächsten 20 Jahre.
In diesem Sinne haben sich heute auch die beteiligten Deutschen Unternehmen BASF und E.ON/Wintershall geäußert. Sie erklärten sinngemäß:
Die Energiepartnerschaft mit Gazprom ist ein wichtiger Baustein für die Sicherheit der künftigen Energieversorgung in Deutschland und Europa. Es freut uns, dass Gazprom die Bedeutung Deutschlands als Zugangstor zu den westeuropäischen Energiemärkten erkennt und nutzt. Gerhard Schröder kennt und unterstützt als Vertrauter der Regierung und der Wirtschaft die deutsch-russische Energiepartnerschaft seit vielen Jahren. Daher begrüßen wir die Gazprom-Entscheidung, ihn in das am 2. Dezember 2005 neu gegründete Shareholders´ Committee der „NEGP Company“ zu berufen.
Die Aufgabe des achtköpfigen SC ist es, die Interessen der Gesellschafter zu vertreten, indem er den Board of Directors der NEGP Company überwacht, berät und kontrolliert. Gemäß Gründungsvereinbarung benennen die russischen Partner insgesamt vier SC-Mitglieder, darunter auch den SC-Vorsitzenden. Die Partner BASF und EON stellen je zwei SC-Mitglieder. Gerhard Schröder kann in diesem Amt dazu beitragen, die deutschen und westeuropäischen Interessen im Zusammenhang mit der Sicherung der künftigen Energieversorgung an einer sehr wichtigen Stelle zu vertreten.
Alle jene, die sich aktuell so empören, sollten nicht vergessen, dass die FDP seit Jahrzehnten die höchste Anzahl von Aufsichtsratsmandaten bei aktiven Politikern aufweist, dass die ehemalige Fraktionschefin der Grünen im Bundestag das Geschäft der Gelsenwasser AG managt und dass Helmut Kohl unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Kanzleramt in den Aufsichtsrat der Credit Suisse eingezogen sei. Ich jedenfalls finde es eher beruhigend, dass Gerhard Schröder den Prozess des Pipelinebaus steuert und nicht irgendein Mitglied der russischen Nomenklatura.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Schultz, MdB (SPD)
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