07.02.2006
Beck: Antworten geben auf Konzentrationsentwicklungen im Medienbereich
in einer digitalen und zunehmend vernetzten Welt
Die Medienkommission beim SPD-Parteivorstand diskutierte bei der
letzten Sitzung am 6. Februar 2006 das Thema Medienkonzentration und
beschäftigte sich dabei u. a. mit der aufgegebenen Fusion von Springer
und ProSieben/SAT 1 und der untersagten Fusion von Berliner Zeitung
und Tagesspiegel sowie der sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Der stellv. Parteivorsitzende und Vorsitzende der Kommission, Kurt
Beck, hat als Grundlage für die weitere notwendige Diskussion einen
Katalog von Frage- und Themenstellungen für ein kohärentes
Konzentrationsrecht für den Mediensektor vorgelegt:
Die kartell- und medienkonzentrationsrechtlichen Verfahren für die
beantragte Fusion von Springer und PRO7/SAT1, aber auch Pläne von
Telekommunikationsanbietern über Plattformen fremde und eigene Inhalte
anzubieten sowie der jüngste Erwerb von Rechten der Fußballbundesliga
durch solche Anbieter rücken konzentrationsrechtliche Frage- und
Themenstellungen erneut in den Vordergrund. Auch sind aus dem KEK- wie
dem Kartellverfahren wertvolle Hinweise hervorgegangen, die weiter zu
verfolgen sind. Dazu zählt die grundsätzliche Idee eines Beirats oder
die mögliche Kontrolle einer Veräußerung über lizenzrechtliche
Auflagen. Sie sollten für Ländergemeinschaft und Bund Anlass sein,
jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich, aber durchaus auch gemeinsam,
bestehendes Recht darauf hin zu überprüfen, ob es den Anforderungen
der Medien in einer digitalen und vernetzten Welt noch gerecht werden
kann.
1. Das medienkonzentrationsrechtliche Verfahren der KEK und die
Anrufungsgründe der KDLM gegen die KEK-Entscheidung haben deutlich
gemacht, dass die Vorschrift des § 26 RStV erheblich unterschiedlich
ausgelegt wurde. Es ist daher erforderlich, insbesondere den Umfang
des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift weiter zu präzisieren. Dazu
gehört u.a. auch, in welches Verhältnis die sog. verwandten Märkte zum
Fernsehmarkt gesetzt werden können.
2. Verfahrensrechtlich gab es Diskussionen sowohl um die Besetzung und
Anbindung der KEK als Organ der Landesmedienanstalten als auch um die
von den Direktoren der Landesmedienanstalten besetzte KDLM. Es gilt zu
prüfen, ob diese gestufte Entscheidungsstruktur in ihrer konkreten
Ausgestaltung nicht verbessert werden kann. Dabei wird diese Thematik
sicherlich in die ohnehin anstehenden Beratungen um eine Reform der
Landesmedienanstalten einzubeziehen sein.
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3. Konzentrationsrechtliche Diskussionen werden im Zuge globalisierter
Märkte zunehmend auch unter dem Aspekt geführt, inwieweit entstehende
Medienunternehmenskonstellationen dem Anspruch nach kultureller
Identität entsprechen können. Dabei kommen einerseits
Beteiligungsgrenzen für ausländische Unternehmen ins Gespräch, wie wir
sie z.B. in den USA kennen. Andererseits stellen sich bei Übernahmen
durch reine Finanzinvestoren Fragen, inwieweit diese medienspezifische
Interessen einbringen und die inhaltliche Fortentwicklung der Medien
fördern können. Auch insoweit bleibt zu prüfen, ob geltendes Recht für
derartige Anliegen geöffnet werden kann.
4. Nationale und teilweise supranationale Medienkonzentrationen finden
regelmäßig großes öffentliches Interesse und führen zu zahlreichen
kontroversen Debatten. Dies hat das Fusionsverfahren
Springer/PRO7/SAT1 zuletzt verdeutlicht. Nur wenig wahrgenommen und
diskutiert werden hingegen Konzentrationsentwicklungen auf regionaler
und lokaler Ebene. Dabei führen auch sie aus der Sicht der betroffenen
Bürgerinnen und Bürger, zu vergleichbaren oder noch deutlicheren
Verengungen von Medienvielfalt. Solche konzentrationssteuernden
Impulse auf Regionalmärkte können ihren Ausgangspunkt sowohl von der
nationalen Ebene als auch von der regionalen Ebene selbst, ausgehen.
Auch hierzu gilt es, bestehendes Recht auf seine Wirksamkeit hin näher
zu untersuchen.
5. Das Verfahren vor dem Bundeskartellamt und vor der KEK im Fall
Springer/
PRO/SAT1 haben deutlich gemacht: Das Kartellamt geht insbesondere von
den Werbemärkten aus, wenn es marktbeherrschende Strukturen
untersucht. Die KEK geht dagegen auf der Grundlage des
Rundfunkstaatsvertrags von der Sicherung der Medienfreiheit und
-vielfalt aus. Trotzdem bestehen hohe Ähnlichkeiten in den Bewertungen
und Grundlagen: So werden Kundenanteile oder Zuschaueranteile zugrunde
gelegt und die Interdependenz zu verwandten Märkten in Beziehung
zueinander gesetzt. Die Möglichkeit von Cross promotion, um ein
Beispiel zu nennen, ist als Tatbestand sowohl für die Bewertung von
Marktbeherrschung im Wirtschaftsmarkt als auch im Meinungsmarkt
relevant. Auch wenn rechtsdogmatisch die jeweiligen Argumentationen zu
trennen sind, liegen ihre inhaltlichen Zielrichtungen doch sehr nahe.
Daher muss zumindest die Frage erlaubt sein, inwieweit auch hier eine
Konvergenz der Prüfung und Bewertung möglich und sachgerecht ist.
6. Diese Frage nach möglicher Konvergenz von Prüfung und Bewertung
medienspezifischer Sachverhalte wird durch die technische und
zunehmend auch organisatorisch/inhaltliche Konvergenz der Medien immer
dringender. In der Vergangenheit waren Telekommunikationsanbieter
bloße Infrastrukturanbieter. Ihre Kunden waren u.a. Hörfunk- und
Fernsehsender. In den Zeiten der alten Deutschen Bundespost galt der
Grundsatz "der dienenden Funktion der Technik". Die digitale Welt und
die Konvergenz der Techniken führt dazu, dass Infrastrukturanbieter
heute Plattformen zur Verfügung stellen, wo fremde und eigene Inhalte
Platz finden. Contentanbieter können frei empfangbare Sender sein, wie
wir sie bisher kennen. Sie können aber auch bloße Zulieferer für
Plattformen werden. Solche Entwicklungen können zu
Konzentrationsprozessen führen, auf die unser Wirtschafts- und
Medienrecht Antworten finden muss.
7. Bei diesen Fragen sind zudem die EU-rechtlichen Bezüge sowie die
Rolle des Europarates zu beachten.
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