24.02.2006
"Zweite Bilanz Chancengleichheit" - SPD: Kein Anlass zum Jubeln
Anlässlich der Veröffentlichung der Zweiten Bilanz Chancengleichheit
von Bundesregierung und Spitzenverbänden der Wirtschaft erklärt die
stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands und Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft
Sozialdemokratischer Frauen (ASF), Elke Ferner:
Die zweite Bilanz der Vereinbarung zur Chancengleichheit von Frauen
und Männern mit dem Schwerpunkt Frauen in Führungspositionen
offenbart: Bis Frauen einen paritätischen Anteil an Führungspositionen
in der Wirtschaft haben, wird noch viel Zeit vergehen. Eine
durchschnittliche Steigerungsrate von nur zwei Prozent in vier Jahren
ist kein Anlass zum Jubeln. Wenn dieses Schneckentempo nicht
gesteigert wird, wird es noch über fünfzig Jahre dauern, bis eine
paritätische Besetzung der Führungspositionen erreicht ist. So lange
wollen die Frauen nicht warten!
Festzustellen sind deutliche Unterschiede, unter anderem nach Größe
des Betriebes, nach Branche und nach Führungsebene. Je größer das
Unternehmen, desto geringer der Anteil an Frauen in
Führungspositionen. Laut Bilanz fanden sich in den 100 größten
Unternehmen 2004 neben 685 Männern nur 4 Frauen in
Vorstandspositionen.
Eklatant ist die Erkenntnis, dass der Frauenanteil in
Führungspositionen abhängig vom Lebensalter sinkt, von etwa 43 Prozent
bei den bis 30-Jährigen auf nur noch etwa 20 Prozent bei den 35- bis
49-jährigen Frauen.
Die vielfältigen Initiativen der Ministerien und Wirtschaftsverbände
gehen nicht weit genug. Nur jede dritte Frau arbeitet in einem Betrieb
mit Vereinbarungen zur Chancengleichheit, gar nur jeder vierte Betrieb
fördert die berufliche Entwicklung von Mitarbeiterinnen.
Ohne verbindliche Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern
in der Privatwirtschaft wird es keine nennenswerten Fortschritte
geben. Wir nehmen die Frauenministerin und die Wirtschaftsverbände
beim Wort, die sich in ihrer Bilanz indirekt zur Umsetzung der
Antidiskriminierungsrichtlinien der EU in nationales Recht bekennen -
als eine gesetzliche Regelung zur Gleichbehandlung von Frauen und
Männern im Erwerbsleben.
Wir brauchen aber auch wirksame Instrumente zur Bekämpfung der immer
noch vorhandenen Lohndiskriminierung und zur aktiven Frauenförderung
in den Betrieben.
Hier sind auch die Tarifparteien in der Verantwortung.
Auch diese Bilanz bestätigt erneut, dass Frauen heute so gut
qualifiziert sind wie nie zuvor. Für diese heutige gut ausgebildete
Frauengeneration müssen vor allem berufliche Perspektiven geschaffen
werden: Frauen wollen heute nicht nur erwerbstätig sein, sie wollen -
und sollen - auch Karriere machen. Deshalb setzen wir uns dafür ein,
dass sie die gleichen Karrierechancen und den gleichberechtigten
Zugang zu Führungspositionen in der Wirtschaft, in der Wissenschaft
und in der Forschung erhalten.
Wieder einmal wird vor allem die Familienförderung als Allheilmittel
gesehen, hier zur weiteren Förderung der Gleichstellung von Frauen und
Männern in der Privatwirtschaft. Familienförderung ist wichtig, aber
wir sozialdemokratischen Frauen wollen auch eine explizite
Frauenförderung und verbindliche Vorgaben zur Gleichstellung der
Frauen in der Wirtschaft, denn die bisherigen freiwilligen Maßnahmen
haben nur marginale Erfolge gebracht. Deshalb werden wir die weitere
Entwicklung gerade im Bezug auf die Umsetzung der
Antidiskriminierungsrichtlinien auch als Beitrag zur Erreichung der
Chancengleichheit im Berufsleben kritisch begleiten.
Insbesondere die Wirtschaft handelt kurzsichtig: In nicht allzu ferner
Zukunft werden die Unternehmen darauf angewiesen sein, das vorhandene
Erwerbspotential - auch das der Frauen - auszuschöpfen.
|