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02.08.2006

Kurt Beck: Die deutsche Sozialdemokratie trauert um Holger Börner  

 

Die deutsche Sozialdemokratie trauert um Holger Börner, der nach langer Krankheit heute Nacht verstorben ist. Unser Mitgefühl gilt seiner Witwe Carola und seiner Familie.

 

Holger Börner war ein "geborener" Sozialdemokrat, dessen Familie Verfolgung und Haft im Kaiserreich und unter der NS-Diktatur ausgesetzt war, um die Idee der sozialen Demokratie zu verteidigen. Als gelernter Betonfacharbeiter stand er für die Beteiligung der Arbeitnehmerschaft am Haben und Sagen in unserer Gesellschaft.

 

Holger Börner hat in vielen wichtigen Ämtern in Partei und Gesellschaft die Geschicke der Bundesrepublik maßgeblich mitbestimmt. Er war seit über 60 Jahren in der deutschen Sozialdemokratie engagiert. Als Kommunalpolitiker hatte er in den 50er und 60er Jahren    wichtigen Anteil an der Entwicklung Kassels zu einer starken und lebenswerten Kommune. Fast 20 Jahre vertrat er seine Heimatstadt im Deutschen Bundestag.

 

Als Bundesgeschäftsführer der SPD hatte er großen Anteil an den sozialdemokratischen Wahlsiegen unter Willy Brandt und Helmut Schmidt bei den Bundestagswahlen 1972 und 1976.

 

Als Ministerpräsident des Landes Hessen gelang es ihm, das Land sozial und menschenfreundlich zu modernisieren. Zugleich ebnete er unter schwierigen Bedingungen erste Wege zur Zusammenarbeit mit den neu entstandenen Grünen. Als Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung leistete er wichtige Aufbauhilfe bei der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung in Ost- und Mitteleuropa.

 

Ich bin froh, dass ich kurz vor seinem Tod in einem bewegenden Gespräch Abschied von Holger nehmen konnte. Holger Börners menschliche Art, seine Aufmerksamkeit und sein kluger Rat werden uns fehlen. Die deutsche Sozialdemokratie wird ihm stets ein ehrendes Andenken   bewahren.

 

Kondolenzadresse an die Familie von Holger Börner:

Sehr verehrte Frau Börner, liebe Carola,

 

   sehr geehrte Familie Börner,

 

   zum Tode Ihres Mannes und Vaters Holger Börner spreche ich Ihnen -

   auch im Namen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands - mein tief

   empfundenes Beileid aus.

 

   Holger Börner war einer der bekanntesten und profiliertesten Politiker

   unserer Partei und hat in vielen wichtigen Ämtern und Funktionen die

   Geschicke der Bundesrepublik mitbestimmt. Dabei war ihm die Nähe zu

   den Menschen, für die er arbeitete, immer besonders wichtig. Holger

   Börner war in all seinen Positionen ein im besten Sinne volksnaher

   Politiker.

 

   Holger Börner wurde 1931 in eine ursozialdemokratische Familie hinein

   geboren: Schon sein Großvater war überzeugter Sozialdemokrat und

   musste vor den Bismarckschen Sozialistengesetzen fliehen, sein Vater

   wurde unter der Hitler-Diktatur in einem Konzentrationslager

   interniert. Als von den Nazis verpflichteter Zwangsarbeiter verlor er

   sein Leben in Russland. Für seinen Sohn waren diese Erfahrungen

   bestimmend und prägend für sein weiteres Leben. Das Nie wieder Krieg

   und der Kampf um Freiheit, für mehr Gerechtigkeit und Solidarität

   waren für Holger Börner die verpflichtenden Grundlagen seiner

   jahrzehntelangen politischen Arbeit.

 

   Unmittelbar nach dem Weltkrieg engagierte er sich bei den

   Jungsozialisten, 1948 wurde er Mitglied der SPD. Seinen ursprünglichen

   Berufswunsch Journalist zu werden, hatte er wegen der Sorge um seine

   Familie aufgeben müssen und eine Lehre als Betonfacharbeiter begonnen.

   Georg-August Zinn erkannte bald das große politische Talent des jungen

   Holger Börner und förderte ihn nach Kräften. Schon 1961 wurde er

   Vorsitzender der Jungsozialisten, darüber hinaus war er als

   Kommunalpolitiker in Kassel erfolgreich tätig.1957 kandidierte Holger Börner für den Deutschen

   Bundestag, dem er bis 1976 als sozialdemokratischer Abgeordneter

   angehörte. 1967, während der ersten Großen Koalition war er

   Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium.

 

   1972 wurde Holger Börner als Nachfolger von Hans-Jürgen Wischnewski

   Bundesgeschäftsführer der SPD. Bald stand ein für die Partei

   entscheidender Wahlkampf an, zu dessen großem Erfolg Holger Börner mit

   seiner Arbeit entscheidend beigetragen hatte: Die SPD erreichte ihr

   bisher bestes Ergebnis. Die vertrauensvolle, enge Zusammenarbeit mit

   Willy Brandt und die guten Beziehungen Holger Börners in die

   Gliederungen der Partei hinein waren eine wichtige Voraussetzung

   dieses Wahlerfolges.

 

   Als hessischer Ministerpräsident von 1976 bis 1987 ist es Holger

   Börner gelungen, das Land sozial und menschenfreundlich zu

   modernisieren. Die erste rot-grüne Landesregierung gab es unter seiner

   Ägide, es war ihm damit gelungen, eine Generation junger

   Politikerinnen und Politiker mit in die Verantwortung zu nehmen.

 

   Als Vorsitzender der Friedrich- Ebert -Stiftung von 1987 bis 2003 hat

   sich Holger Börner ebenfalls bleibende Verdienste erworben. Ein

   Anliegen war ihm die Hilfe für die Dritte Welt und nach dem Fall der

   Mauer besonders auch die Unterstützung für die ehemalige DDR und die

   osteuropäischen Staaten.

 

   Holger Börner hat in den über fünfzig Jahren seines öffentlichen

   Wirkens unser Land mitgestaltet und unsere Partei geprägt. Ich bin

   froh darüber, dass ich kurz vor seinem Tod in einem bewegenden

   Gespräch Abschied von ihm nehmen konnte. Seine Mitmenschlichkeit,

   seine Aufmerksamkeit und sein kluger Rat werden uns allen sehr

   fehlen.

 

   Holger Börner hat sich um unser Land und unsere Partei verdient

   gemacht: Wir werden ihn nicht vergessen.

 

   Mit stillem Gruß

 

   Ihr Kurt Beck

 

 

 



 
 
 
 
 
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