25.06.2007
SPD-Parteivorstand beschließt einstimmig Leitantrag zum Recht auf Arbeit
Gute Arbeit
Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit.
Deshalb wollen wir Vollbeschäftigung.
Arbeit muss menschenwürdig sein.
Deshalb wollen wir Gute Arbeit.
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist eine zentrale politische
Aufgabe. Denn sie ist im Interesse jedes einzelnen Menschen, der
arbeiten kann und will. Sie ist aber auch von zentraler Bedeutung für
die Sicherung des Wohlstands und des sozialen Friedens sowie für die
Stabilität unserer Sozialsysteme.
Der Mensch steht im Mittelpunkt - er ist Richtschnur unserer Politik,
auch und gerade unserer Beschäftigungspolitik.
Gute Arbeit meint Arbeit für jeden Menschen und bessere Arbeit:
Arbeit für alle.
Faire Löhne.
Gute Arbeitsbedingungen.
Arbeitsschutz.
Ausbildung und Weiterbildung.
Gleichstellung beim beruflichen Aufstieg
Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Vermittlung und Absicherung.
Arbeitnehmerrechte.
Illegale Beschäftigung bekämpfen.
Ehrenamtliche Arbeit.
Soziales Europa.
1. Arbeit für alle
Vollbeschäftigung wird nicht schnell zu erreichen sein. Manche
behaupten: Nie. Wir kämpfen trotzdem dafür. Denn es gibt noch viel zu tun. Jede/r Arbeitslose weniger ist ein Gewinn, und jede/r Arbeitslose
hat Anspruch auf unsere Hilfe. Und Arbeit bedeutet Teilhabe,
gesellschaftliche Anerkennung und persönliche Selbstverwirklichung.
Die Entwicklung am Arbeitsmarkt ist erfreulich. Seit 2005 verbessert
sich die Lage am Arbeitsmarkt zusehends und zuletzt in beachtlichem
Tempo. Auch die Älteren und die Jungen haben dabei erkennbar bessere
Chancen. Dabei wächst die Zahl sozialversicherungspflichtiger, solider
Arbeitsverhältnisse deutlich, aber auch zum Teil die Leiharbeit und
die befristete Beschäftigung.
Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt hat mehrere Gründe. Die Stärkung
der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft durch die Steuerreform in
der rot-grünen Regierungszeit, die große Arbeitsmarktreform,
verschiedene Maßnahmen der Agenda 2010, die moderaten Tarifabschlüsse
der vergangenen Jahre, mehr öffentliche Investitionen und die
Förderung privater Investitionen (das 25- Mrd.-Förderprogramm der
Großen Koalition) waren die binnenwirtschaftlich wichtigsten. Um eine
Verstetigung des Wachstums zu erreichen, bedarf es weiterer Maßnahmen.
Wir müssen den eingeschlagenen Weg fortsetzen, in Innovationen, in
Bildung und Forschung und in die Infrastruktur zu investieren. Wir
brauchen einen Investitionspakt von Bund, Ländern und Kommunen zur
energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude und darüber hinaus. Das
schafft Arbeit.
Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt ist kein Grund, in den
Anstrengungen nachzulassen. Im Gegenteil: Es geht darum, nicht nur die
konjunkturellen Wirkungen am Arbeitsmarkt zu begrüßen, sondern es
müssen die strukturellen Ansätze einer nachhaltigen Verbesserung
gefestigt und ausgebaut werden.
Und es gibt Arbeit. Sie muss mobilisiert und finanziert werden. Wir
tun etwas für:
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen im Inland und
international,
öffentliche Investitionen,
Anreize für private Investitionen.
Denn so wird die Zuversicht der Menschen in die Zukunftsfähigkeit
unseres Wirtschaftssystems verbessert, das Vertrauen in die
Institutionen der Demokratie gefestigt oder - wo nötig - zurück
gewonnen und die Handlungskraft des Staates - beim Investieren und
beim Konsolidieren - massiv gestärkt.
Arbeit für alle, das meint wirklich alle:
Männer und Frauen. Die Frauenerwerbsquote ist in den vergangenen
Jahren gestiegen - von 58,1 Prozent (2000) auf 61,5 Prozent (2006).
Davon geht ein Teil zurück auf den Anstieg der Teilzeitbeschäftigung
von Frauen. So ist die Teilzeitbeschäftigung von Frauen von 3,321
Millionen (2000) auf 3,808 Millionen (2006) gestiegen. Unser Ziel
bleibt, Frauen in eine Vollzeitbeschäftigung zu bringen. Frauen müssen
einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt haben, zu gleichen
Bedingungen, in jeder Lebensphase. Da sie in der Regel die schulische
Ausbildung überdurchschnittlich gut abschließen, ist dies nicht nur
ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern bei einem sich abzeichnenden
Mangel bei besser Qualifizierten auch volkswirtschaftlich mehr als
sinnvoll. Das heißt auch, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
verbessert werden muss, in der Vorschulzeit aber auch in der Schulzeit
der Kinder. Der von der SPD forcierte und jetzt von der großen
Koalition geebnete Weg zu einer quantitativ und qualitativ guten
Krippenbetreuung der Kleinsten ist dabei eine wesentliche
Weichenstellung. Hinzu kommen müssen elternfreundliche Arbeitszeiten
und -bedingungen.
Jung und Alt. Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 hat seit
2005 um 155.000 abgenommen, die der Älteren um 180.000. Für beide
Gruppen gibt es Chancen. Die wollen wir weiter verstärken. Immer mehr
Unternehmen begreifen auch, dass ein vernünftiger Altersmix eine auch
betriebswirtschaftlich vernünftige Belegschaftspolitik ist.
Die Instrumente der Initiative 50 plus - Kombilohn für Ältere,
Eingliederungszuschüsse für Unternehmen die Ältere einstellen,
Weiterbildungsangebote für über 45-Jährige und die längere
Befristungszeit - können dabei helfen. Gleiches gilt auch für
Eingliederungszuschüsse an Unternehmen, die junge Arbeitslose
einstellen.
Deutsche und Ausländer/innen. Wer legal im Land ist, muss auch gleiche
Bildungs- und Beschäftigungschancen haben. Das gilt auch für
Ausländer/innen im Status der Duldung, die bereits lange Zeit in
Deutschland leben.
Gute schulische Bildung und berufliche Ausbildung ist die
wirkungsvollste Vorraussetzung dafür, dass Ausländer/innen und junge
Menschen aus Migrantenfamilien einen aussichtsreichen Einstieg in die
Arbeitswelt finden. Sie ist eine wichtige Grundlage erfolgreicher
Integration.
Im Zeitalter der Globalisierung ist es selbstverständlich, dass mehr
Deutsche ihre Arbeit im Ausland finden und mehr Ausländer bei uns in
Deutschland. Ziel muss es aber bleiben, die Arbeit, die in Deutschland
anfällt, mit den Menschen zu schaffen, die legal in Deutschland sind.
Das Potential dafür gibt es, und nichts davon darf ungenutzt bleiben,
wenn der Arbeitsmarkt strukturell und dauerhaft verbessert werden
soll.
Die Welt ist nicht das globale Arbeitskräftereservoir, das man
anzapfen sollte, wenn die Fachkräfte oder die Einfach-Dienste in
unserem eigenen Land fehlen. Arbeitsmigration ist möglich und
punktuell nötig. Aber sie muss nach klaren Kriterien erfolgen,
gemessen an den Erfordernissen unseres Arbeitsmarktes und an den
Interessen der arbeitslosen Menschen hier. Sie darf kein Ersatz werden
für unzulängliche Qualifizierung und Vermittlung inländischer
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie darf nicht das Ventil für
Unternehmen sein, die ihren Qualifizierungspflichten nicht
nachkommen.
Stärkere und Schwächere. Wir wollen gleiche Startchancen für alle.
Jede und jeder hat das Recht auf eine qualitativ hochwertige
Ausbildung, die die Talente und Stärken in den Mittelpunkt stellt -
und nicht die Herkunft. Die Wege zu einer guten Ausbildung sind
unterschiedlich und nicht immer gerade. Wir wollen jedoch alle mit auf
diesen Weg nehmen, niemand soll am Rande stehen. Das Bildungs- und
Ausbildungssystem muss zu jedem Zeitpunkt den Aufstieg zu einer
höheren Qualifikation ermöglichen. Die Verantwortung für ausreichende
Bildung und berufliche Ausbildung liegt auch bei den Familien. Aber
die Talente sind unterschiedlich und längst nicht alle erhalten
wirklich gleiche Chancen. Es bleibt unverzichtbar, denjenigen mit
schlechteren Startchancen dabei zu helfen, den Anschluss zu finden.
Wir haben mit der Arbeitsmarktreform 2005 die Definition der
Erwerbsfähigkeit bewusst weit gefasst. Auch Vermittlungsschwächere
sind seitdem Teil des einen Arbeitsmarktes. Sie sollen echte Chancen
haben. Das heißt für uns auch: Wir müssen die Systeme zur
individuellen Qualifizierung und aktiven Vermittlung weiter
verbessern. Gerade auch für Menschen mit Behinderung. In Deutschland
leben mehr als 6,6 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Wir sind
in den vergangenen Jahrzehnten bei der Integration von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Behinderungen vorangekommen.
Der öffentliche Dienst ist hier insgesamt weiter als die
Privatwirtschaft. Trotzdem wollen wir auch hier in den nächsten Jahren
Verbesserungen. Vorrang hat für uns die Teilhabe durch Integration auf
dem ersten Arbeitsmarkt.
Neben bewährte Instrumente des Arbeitsmarktes treten in Kürze zwei
neue:
Der Qualifizierungs-Kombi für solche junge Menschen, die - teils ohne
Schulabschluss und ohne Ausbildung - länger arbeitslos sind und ohne
Förderung keine Perspektive hätten. Der Arbeitgeber, der sie einstellt
und möglichst auch qualifiziert, erhält dafür einen Zuschuss von 35
bis 50% der Lohnkosten.
Der Soziale Arbeitsmarkt (Beschäftigungszuschuss) für rund 100.000
Arbeitslose. Hier sollen die gefördert werden, die erkennbar dauerhaft
sonst keine Aussicht auf Beschäftigung am Arbeitsmarkt haben, die also
starke Vermittlungshemmnisse haben. Wir wollen, dass auch die
Schwächeren nicht aussortiert, sondern in
sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse integriert werden.
Kommunen, Organisationen, Integrationsbetriebe, aber auch Unternehmen
des gesamten Arbeitsmarktes sollen für diese Gruppe zusätzliche
Arbeitsplätze definieren - ohne bestehende Beschäftigung zu
verdrängen. Daher ist der Konsens aller lokalen Arbeitsmarktakteure
für die Definition der neuen Tätigkeitsfelder notwendig.
2. Faire Löhne
Die Tarifhoheit ist ein hohes Gut. Sie bleibt unangetastet.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheiden in Deutschland in eigener
Zuständigkeit über die Lohnhöhe, wie auch über viele andere
Arbeitsbedingungen.
Allerdings müssen wir feststellen, dass immer weniger Unternehmen in
tariffähigen Arbeitgeberverbänden, immer weniger Arbeitnehmer in
Gewerkschaften organisiert sind. Immer mehr Bereiche und
Arbeitsverhältnisse sind tariffrei.
Auch auf Grund dieser Entwicklung hat sich eine starke Lohnspreizung
entwickelt. Der Niedriglohnbereich hat sich verbreitert und immer mehr
Löhne liegen zum Teil weit unterhalb des Existenzminimums. Davon sind
besonders Frauen betroffen. Das wollen wir ändern. Wer voll arbeitet,
muss von seinem Arbeitseinkommen leben können. Dass mit
Familientransfers und Wohngeld zusätzliche staatliche Hilfen
bereitstehen, bleibt davon unberührt.
Mindestlöhne sind eine Frage der Würde und Mindestlöhne entsprechen
den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. Sie sind Existenz
sichernd und garantieren, dass diejenigen, die arbeiten, davon einen
Vorteil haben.
Unser Ziel ist es, Dumpinglöhne und Lohndumping zu beseitigen. Mit der
Einbeziehung möglichst aller Branchen, die die Voraussetzungen
erfüllen, ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz stellen wir sicher, dass
tariflich vereinbarte Mindestlöhne durch Regierungsverordnung für
allgemeinverbindlich erklärt werden. Das schützt auch diejenigen
Unternehmen vor Lohndumping, die sonst von Billiglohn-Konkurrenten
unterlaufen werden. Die Dienstleistungsrichtlinie in 2009 und die
Arbeitnehmerfreizügigkeit 2009 oder spätestens 2011 bringen ansonsten
das Problem des Lohndumpings für deutsche Unternehmen mit sich. Für
die Branchen, deren Tarifbindung geringer als 50 Prozent ist, wird das
aktualisierte Mindestarbeitsbedingungengesetz von 1952 angewendet.
Damit werden Mindestlöhne auch in diesen Bereichen möglich. Das allein
wird aber nicht ausreichen.
Wir müssen auch Dumpinglöhne verhindern. Deshalb wollen wir einen
gesetzlichen Mindestlohn. Mit einem Mindestlohngesetz wird die untere
Lohnhöhe - eventuell differenziert - festgelegt. Dazu kann eine
Lohnfindungs-Kommission eingerichtet werden, in der die Tarifparteien
vertreten sind. Damit ist deren Beteiligung an der Festlegung von
Mindestlöhnen gewährleistet.
Nicht nur die Erwerbsquote der Frauen in Deutschland ist im
europäischen Vergleich völlig unzureichend, auch die Einkommensschere
zwischen Männern und Frauen muss geschlossen werden.
Erwerbstätigkeiten, die Frauen auf den Status der Hinzuverdienerin
festlegen, sind ein wesentlicher Grund für Kinder- und Altersarmut.
Frauen muss der Einstieg in Existenz sichernde Einkommen erleichtert
werden - mit staatlicher Unterstützung, aber auch durch die
Unternehmen: Dabei geht es uns vor allem um die Schaffung von
sozialversicherungspflichtiger (Vollzeit-)Beschäftigung. Und es geht
darum, unser Einkommenssteuerrecht geschlechtergerecht auszugestalten,
damit sich auch für verheiratete Frauen die
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lohnt.
3. Gute Arbeitsbedingungen
Gute Arbeit bedeutet familien- und mitarbeitergerechte
Arbeitszeitgestaltung. Arbeitszeitpolitik gestaltet den Wandel in der
Wirtschafts- und Arbeitswelt und berücksichtigt Veränderungen in der
Gesellschaft. Eine moderne und innovative Arbeitszeitpolitik trägt zur
Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei, schafft notwendige Zeiträume
für Qualifizierung und ermöglicht eine flexible Integration der
Erwerbsarbeitsphase in die individuellen Lebensentwürfe. Wir wollen
daher die wöchentliche Arbeitszeit auf max. 45 Stunden begrenzen und
die darüber hinaus geleistete Arbeit auf Zeitkonten erfassen, die
finanziell oder mit Freizeit ausgeglichen werden. Damit Zeitwertkonten
in nennenswerten Umfang in Anspruch genommen werden, müssen sie so
gestaltet sein, dass sie den unterschiedlichen Möglichkeiten und die
Interessen der einzelnen Mitarbeitergruppen gerecht werden
(Sabbatical, Projektarbeiten, ). Die Verbesserung der gesetzlichen
Rahmenbedingungen der Arbeitszeitgestaltung muss mit der
Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten einhergehen.
Wir wollen grundsätzlich unbefristete Vollzeitarbeit, aus der
Ansprüche aus der Sozialversicherung bei Arbeitslosigkeit, im
Krankheitsfall und im Rentenalter erworben werden. Reguläre
Arbeitsverhältnisse sind unverzichtbar, weil sie den Menschen
Sicherheit geben, die Grundlage der sozialen Sicherungssysteme bilden
und nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Neue
Beschäftigungsformen sind als flexible Reaktion auf wirtschaftliche
Bedingungen unerlässlich. Und sie sind sowohl im Interesse von
Unternehmen als auch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer gerechtfertigt. Es kommt aber darauf an, Flexibilität und
Sicherheit sinnvoll miteinander zu verbinden. Das gilt für
Teilzeitarbeit, Praktika und Leiharbeit. Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in solchen Arbeitsverhältnissen dürfen nicht
diskriminiert und von Rechten ausgegrenzt oder ausgeschlossen werden.
Mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz haben wir es Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern ermöglicht, ihre Arbeitszeiten besser den
Bedürfnissen ihrer jeweiligen Lebensphase anzupassen. Teilzeitarbeit
darf aber niemanden benachteiligen - weder bei der betrieblichen oder
überbetrieblichen Qualifizierung noch beim beruflichen Aufstieg.
Berufseinsteigerinnen und -einsteiger müssen oft als Praktikanten
unentgeltlich oder für ein Taschengeld Tätigkeiten verrichten, die mit
einem regulären Beschäftigungsverhältnis abgedeckt werden müssten. Die
zeitliche Begrenzung dieser Praktika ist notwendig, die
Aneinanderreihung von Praktika muss ausgeschlossen werden. Die
Bezahlung der Beschäftigten gemäß der tariflich vereinbarten Löhne
muss gewährleistet werden.
Leiharbeit hat in den letzten beiden Jahren an Bedeutung zugenommen.
So ist die jahresdurchschnittliche Zahl der Leiharbeitnehmer von 2003
bis 2005 um rund 114.000 auf rund 444.000 deutlich angestiegen. Dabei
ist zu sehen, dass der Anstieg der Leiharbeit nicht vollständig mit
der Schaffung neuer Arbeitsplätze gleichzusetzen ist. Wir wollen, dass
Leiharbeit eine Brücke in ein reguläres Arbeitsverhältnis ist. Es darf
nicht zu Lohndumping oder zur Umgehung von Tarifverträgen in den
Betrieben kommen. Wir wollen daher einen Mindestlohn für
Leiharbeitnehmer/innen über die Einbeziehung der Leiharbeitsbranche in
das Arbeitnehmer-Entsendegesetz einführen. Wo in den Betrieben gleiche
Arbeit geleistet wird, müssen auch die Löhne, die Arbeitsbedingungen,
die Weiterbildungsmöglichkeiten und die Aufstiegsmöglichkeiten gleich
sein. Leiharbeit ist aber nur vorübergehend und nur für den kleineren
Teil der Belegschaft akzeptabel. Unser Ziel ist es, dass die
Beschäftigten in einem Betrieb zum Stammpersonal des Unternehmens
zählen. Nur wenn die Beschäftigten eine planbare berufliche
Perspektive haben, können sie für ihre Familien die Zukunft planen und
gestalten.
Die notwendige Eingrenzung der prekären Beschäftigungsverhältnisse
kann nur mit den Betriebräten in den Unternehmen erreicht werden.
Daher muss die betriebliche Mitbestimmung gestärkt und nicht, wie von
CDU und FDP gefordert, minimalisiert werden.
4. Arbeitsschutz
Die Humanisierung der Arbeitswelt bleibt eine dauerhafte Aufgabe. In
den vergangenen Jahrzehnten ist viel erreicht worden, die Zahl
schwerer und schwerster Unfälle ist deutlich zurückgegangen. Das ist
gut. In einer veränderten Arbeitswelt ergeben sich aber neue
Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz. Die Gefährdungen zum Beispiel für
die Augen, den Rücken und die Psyche werden immer offensichtlicher.
Das erfordert intensive präventive Maßnahmen, auch weil daraus sonst
erhebliche Kosten für die Volkswirtschaft oder die Sozialsysteme
entstehen werden. Arbeit bleibt anstrengend und führt zu Verschleiß.
Das ist eine Binsenweisheit. Aber es ist trotzdem ein großer
Unterschied für das Wohlbefinden des Einzelnen, ob und wie
Gefährdungen und gesundheitsschädigenden Arbeitsweisen vorgebeugt
wird.
Wir wollen, dass die Beschäftigten auch psychisch und physisch in der
Lage sind, gesund das Rentenalter zu erreichen. Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, Unternehmen und Staat müssen der gesundheitlichen
Prävention und der Humanisierung des Arbeitsumfeldes daher deutlich
mehr Bedeutung zumessen als bisher.
Gute Arbeit heißt Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz. Der
Arbeitsplatz ist ein wichtiger Lebensbereich, an dem die meisten
Menschen einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit verbringen.
Betriebliche Gesundheitsförderung kann gezielt Arbeitsbelastung
verringern und gesundheitsfördernde Verhaltensweisen der Beschäftigten
stärken. Wir schlagen daher vor, dass die Teilnahme an einer Maßnahme
der betrieblichen Gesundheitsförderung erleichtert wird. Wir werden
Modellprojekte zum Umgang mit psychischen Krankheiten im Betrieb im
Rahmen von INQA und "job - Jobs ohne Barrieren" fördern. Dazu gehört
auch, dass die Forschung zu den Ursachen des Anstiegs psychischer
Erkrankungen in der Arbeitswelt, ihre Auswirkung in betrieblichen
Strategien zum Umgang parallel gestärkt werden müssen.
Gute Arbeit bedeutet Stärkung der gesundheitlichen Prävention von
Arbeitslosen. Die körperliche und psychische Gesundheit von
Arbeitslosen ist schlechter als beim Bevölkerungsdurchschnitt. Deshalb
soll der Präventionsgedanke integraler Bestandteil der Beratungs- und
Vermittlungsprozesse von Arbeitslosen werden. Die Krankheitsprävention
von Arbeitslosen soll im SGB II und SGB III gesetzlich verankert
werden.
5. Ausbildung und Weiterbildung
Die duale Ausbildung ist ein bewährtes Instrument, das wesentlich dazu
beiträgt, dass Deutschland eine hoch qualifizierte Facharbeiterschaft
hat und dass die Jugendarbeitslosigkeit vergleichsweise niedrig ist.
Trotzdem ist die Ausbildungsfrage noch nicht befriedigend gelöst.
Der Ausbildungspakt wird fortgesetzt und mehr Firmen als bisher haben
mehr neue Ausbildungsplätze als bisher zugesagt. In den nächsten
Jahren bleibt die Zahl der Schulabgänger aber noch relativ hoch, die
Verkürzung von 13 auf 12 Schuljahre wird sich auswirken, der Rückgang
der Studienanfänger - auch ausgelöst durch Studiengebühren - macht
sich bemerkbar und die Zahl der Altbewerber, deren Vermittelbarkeit
von Jahr zu Jahr schwerer wird, ist immer noch erschreckend hoch.
Die Modernisierung und die gerechte Finanzierung des betrieblichen
Teils der Berufsausbildung sind für den dauerhaften Erfolg des dualen
Systems wesentlich. Derzeit engagieren sich lediglich knapp ein
Viertel aller Unternehmen in der Berufsausbildung. Nur sie tragen die
Kosten des betrieblichen Teils der Ausbildung. Daher muss die
Bundesrepublik eine aktivierende Berufsbildungsfinanzierung
entwickeln, die vor allem den überdurchschnittlichen
ausbildungswilligen Klein- und Mittelbetrieben mit weniger als 100
Beschäftigten zugute kommt.
Während kleine und mittlere Unternehmen zum Teil über den eigenen
Bedarf hinaus ausbilden, haben sich einzelne Großunternehmen
vollkommen ihrer Ausbildungsverantwortung entledigt. Da Ausbildung ein
Kostenfaktor ist, erzielen diese Großunternehmen durch Nichtausbildung
einen Wettbewerbsvorteil. Sie sparen die Ausbildungskosten und werben
überdies gut ausgebildete Fachkräfte von anderen Betrieben ab.
Wir wollen, dass bis zum Jahr 2009 kein junger Mensch mehr ohne
konkretes Angebot nach dem Schulabschluss bleibt. Jeder und jede soll
entweder die Chance zum Studium oder zur Berufsausbildung oder zur
Vorbereitung darauf erhalten.
Wir wollen schon in der Schule, aber auch bei der Berufs- und
Studienberatung, jungen Männern und Frauen eine bessere Orientierung
geben, um das immer noch sehr geschlechtsspezifische Berufs- und
Studienfachwahlverhalten zu überwinden. Auch die Unternehmen sehen wir
hier in der Pflicht.
Mit dem Sonderprogramm zur Einstiegsqualifizierung Jugendlicher
(EQJ-Programm) geben wir wichtige Impulse. Bereits im Oktober 2006
wurde es auf 40.000 Plätze aufgestockt. Darüber hinaus werden wir das
EQJ-Programm ab 2008 in das Regelinstrumentarium des
Arbeitsförderungsrechts aufnehmen, um die erfolgreiche Fortführung
dauerhaft zu sichern.
Die Gebühren zur Kammerprüfung stellen eine finanzielle Belastung für
die ausbildenden Betriebe dar. Wir werden daher deren Abschaffung
prüfen.
Wir prüfen die Einführung eines Ausbildungs-Bonus für Unternehmen, die
überdurchschnittlich ausbilden. Diese Unternehmen sollen zukünftig
einen geringeren Arbeitslosenversicherungsbeitrag zahlen. Damit rufen
wir alle Unternehmen auf, mehr Auszubildende als bisher einzustellen.
Wir fordern die Länder auf, dafür zu sorgen, dass die Zahl der jungen
Menschen, die ohne Abschluss aus den Schulen kommen, deutlich
reduziert wird.
Qualifizierte Arbeitsplätze sind sicherere Arbeitsplätze. In vielen
Bereichen beklagen Unternehmer heute, dass nicht genügend
qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen. Sie kritisieren damit
einen Zustand, den sie in den vergangenen Jahren durch eigene
Nachlässigkeit selber verantworten. Gleichzeitig nehmen Forderungen
zu, die Grenzen für den Zuzug qualifizierter Fachkräfte aus aller Welt
zu öffnen.
Für die Innovationskraft der Gesellschaft und die
Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen ist eine Weiterbildungsoffensive
unverzichtbar. Wir wollen keinen Weg gehen, bei dem die Bildung und
Weiterbildung hier im Land vernachlässigt wird, das allgemeine
Qualifikationsniveau sinkt und dann gleichzeitig die Bedarfe an
Fachkräften durch Zuwanderung gedeckt werden. Priorität hat für uns
die Qualifizierung aller Menschen, die legal in unserem Land leben.
Für Qualifizierung und Weiterbildung ist man nie zu alt. Leider ist es
aber so, dass vor allem Menschen ohne Berufsabschluss, Frauen mit
Kindern, Migranten, Teilzeitbeschäftigte und Beschäftigte in
Kleinbetrieben weitgehend von Weiterbildung ausgeschlossen sind.
Wir haben in den vergangenen Jahren den Weiterbildungsbereich neu
geordnet und für mehr Qualität Sorge getragen. Mit der Initiative 50
plus wurde das Anbot zur Förderung von Weiterbildung deutlich
verbessert. Beschäftigte in Betrieben mit bis zu 250 Beschäftigten,
die 45 Jahre oder älter sind, haben einen Anspruch auf Förderung ihrer
Weiterbildung. Wir wollen, dass auch Berufsrückkehrerinnen und
Arbeitslose, die keine Geldleistungen erhalten, durch entsprechende
Qualifizierungsmaßnahmen und andere arbeitsmarktpolitischen
Instrumente bessere Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten.
Viele europäische Nachbarländer haben durch ein intensives
Zusammenwirken von Politik, Gewerkschaften und Arbeitgebern Erfolge
erzielt.
Auch wir müssen jetzt entscheidend vorankommen.
Wir wollen:
die Beschäftigten im Bereich der Weiterbildung durch die Aufnahme der
Branche ins Arbeitnehmerentsendegesetz vor Lohndumping schützen. Der
abgeschlossene Branchentarifvertrag soll rasch für
allgemeinverbindlich erklärt werden.
klar stellen, dass bei der Ausschreibung von Weiterbildungsmaßnahmen
seitens der Bundesagentur für Arbeit die Qualität der Leistung einen
höheren Stellenwert als der Preis erhält.
die Schaffung eines Nationalen Weiterbildungsfonds prüfen, der die
Tarifpolitik fordert, Weiterbildungsmaßnahmen stärker zu
berücksichtigen. Aus dem Fond können tarifliche Vereinbarungen - bei
Vorliegen klarer Kriterien - mitfinanziert werden.
Bildung, Qualifizierung und Weiterbildung sind gemeinsame Aufgabe der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, der
Gewerkschaften, und der Politik.
Gute Arbeit muss die Weiterbildung stärken, damit die Gefahr der
Arbeitslosigkeit gesenkt und die Innovationskraft der Unternehmen
verbessert wird. Ausbildung und Qualifizierung sind die beste
Arbeitslosenversicherung. Betriebe mit besser qualifizierten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehen besser im internationalen
Wettbewerb. Wir wollen daher, dass die Weiterbildung stärker als
bisher von der Arbeitslosenversicherung finanziert wird, denn von
Weiterbildung profitieren alle Beitragszahler - Beschäftigte und
Unternehmen. Auf diese Weise wird die Arbeitslosenversicherung noch
mehr zur Beschäftigungsversicherung.
6. Gleichstellung beim beruflichen Aufstieg
Trotz bester Ausbildung, trotz hoher Leistungsbereitschaft und
Motivation stoßen Frauen in Deutschland beim beruflichen Aufstieg
immer noch an eine gläserne Decke. Ihr Anteil an Führungspositionen
und in Aufsichtsgremien ist im internationalen Vergleich beschämend
gering. Die freiwillige Vereinbarung zwischen Wirtschaft und
Bundesregierung hat bisher keine nennenswerten Fortschritte gebracht.
Es geht um Gerechtigkeit und um die Zukunftsfähigkeit unserer
Volkswirtschaft. Wir wollen die Fähigkeiten und Talente der gut
qualifizierten Frauen nicht länger vergeuden. Deshalb brauchen wir
verbindliche Zielvorgaben, damit Frauen in Wirtschaft, Forschung und
Lehre die Hindernisse endlich durchbrechen können.
7. Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Zur guten Arbeit gehört die familienfreundliche Ausgestaltung der
Arbeitswelt. Flexible Arbeitszeitmodelle, erreichbare und verlässliche
Betreuungseinrichtungen sind hier wichtig. Wenn die Fachkräfte weniger
werden, dann können wir es uns nicht leisten, auf Kompetenzen und
Begabungen zu verzichten, weil es keine ausreichende Infrastruktur zum
Bespiel zur Kinderbetreuung gibt.
Wir haben in der Koalition das Elterngeld auf die Tagesordnung gesetzt
und ihm zum Durchbruch verholfen. Schon in der rot-grünen
Regierungszeit haben wir mit der finanziellen Förderung von
Ganztags-Grundschulen, mit der steuerlichen Absetzbarkeit von
Kinderbetreuungskosten, dem Gesetz zum Ausbau von Kindertagesstätten
und mit der jährlichen Förderung von 1,5 Milliarden Euro für den
Ausbau von Krippenplätzen unser Konzept Schritt für Schritt umgesetzt.
Mit dem jetzt von der SPD durchgesetzten Rechtsanspruch für einen
Krippenplatz 2013 wird dieser Weg fortgesetzt und beschleunigt.
Damit werden die Voraussetzungen für eine Vereinbarkeit von Familie
und Beruf deutlich verbessert.
Trotzdem bleibt es eine Herausforderung, dass so viele Frauen mit
kleinen und heranwachsenden Kindern arbeitslos sind und am
Arbeitsmarkt nur schwer integrierbar sind.
Wie wollen, dass die Vermittlung dieser Frauen noch einmal
intensiviert wird. Dabei müssen die Unternehmen mitmachen und sich auf
die besonderen Zeitbedürfnisse dieser Frauen - gerade auch der
Alleinerziehenden - intensiver einstellen. Das hilft vor allem,
Kinderarmut zu vermeiden.
8. Vermittlung und Absicherung
Zum einen geht es darum, den Arbeitslosen Vermittlungshilfe zu geben,
die sich nicht aus eigener Kraft (wieder) im Arbeitsmarkt integrieren
können. Zum anderen geht es um die Absicherung sozialer
Grundbedürfnisse und von Ansprüchen, - in Arbeit und auch in
Arbeitslosigkeit.
Mit dem Umbau der Bundesagentur zu einem modernen Dienstleister am
Arbeitsmarkt wurde die Voraussetzung für individuelle Betreuung,
zielgerichtete Förderung und schnelle Vermittlung Arbeitsloser
deutlich verbessert.
Trotz vieler Fortschritte sind weitere Verbesserungen mit dem Ziel der
optimalen Vermittlung nötig. Das gilt insbesondere für den SGB
II-Bereich, von dem auch und insbesondere Langzeitarbeitlose berührt
sind. Dabei geht es im Interesse der Betroffenen auch um eine höhere
Effizienz in der Zusammenarbeit aller Verantwortlichen in den
Agenturen und Kommunen, der Arbeitsgemeinschaft (ARGEN) und der
Optionskommunen. Dazu gehört die allseitige Akzeptanz der
Verantwortlichkeiten aller Beteiligten. Aber auch die Straffung der
Arbeitsmarktinstrumente mit dem Ziel erfolgreicher Anwendung auch für
schwerer vermittelbare Arbeitslose ist dringend erforderlich, auch im
Zusammenwirken der Rechtskreise SGB II und SGB III.
Auf der Grundlage von verbindlichen generellen Rahmenvereinbarungen
und jährlichen Zielvereinbarungen können die ARGEn und die
Optionskommunen dann ihre Arbeit unter Nutzung dieses überarbeiteten
Instrumenten-Katalogs gestalten.
Derzeit erhalten etwa 900.000 Personen aus SGB II-Mitteln aufstockende
Leistungen zu ihrem Erwerbseinkommen. Die geltende Freibetragsregelung
beim ALG II begünstigt niedrige Zusatzeinkommen; ALG II-Bezieher haben
so einen hohen Anreiz einen Minijob anzunehmen und sich mit dem
Gesamteinkommen zufrieden zu geben. Das wollen wir ändern.
Wir schlagen daher einen vermögensunabhängigen Erwerbstätigenzuschuss
("Bonus für Arbeit") in Höhe von 25 Prozent vor, der ab einem
Einkommen von 800 Euro für Singles und 1.300 Euro für Paare bei 30
Wochenarbeitsstunden gezahlt wird. Dieser Erwerbstätigenzuschuss
verläuft degressiv und wird bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze
auf Null abgeschmolzen. Mit dem "Bonus für Arbeit" würde eine
konsequente Förderung der regulären Beschäftigung von
einkommensschwachen Beschäftigten erreicht. Das System macht es für
Betroffenen attraktiver, eine Existenz sichernde Beschäftigung
aufzunehmen. Das ist nur vertretbar, wenn mit einem Mindestlohn eine
Lohnuntergrenze definiert wird.
9. Arbeitnehmerrechte
Zu guter Arbeit gehören Arbeitnehmerrechte. Die soziale
Marktwirtschaft ist untrennbar mit der Teilhabe und Teilnahme von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verbunden. Die Mitbestimmung, die
Betriebsverfassung, die Tarifautonomie, auch als Flächentarif, der
Kündigungsschutz und moderner Arbeitsschutz gehören zu den
unverzichtbaren Arbeitnehmerrechten. Diese Rechte sind für die SPD
nicht verhandelbar.
Die SPD ist die Große Koalition auch eingegangen, weil nur so der
Versuch von CDU/CSU und FDP abgewehrt werden konnte, Teile der
Arbeitnehmerrechte drastisch zu beschränken.
Wir wollen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich auf gleicher
Augenhöhe begegnen. Denn Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht
umgekehrt.
Die Arbeitnehmerrechte tragen entscheidend zur sozialen Balance im
Lande bei; sie sind gut für den wirtschaftlichen Erfolg und für den
sozialen Frieden. Gleichwohl lassen die Attacken marktradikaler
Politiker, Funktionäre und Wissenschaftler, die den rechtlichen Rahmen
für die Balance zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ändern wollen,
nicht nach.
Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Europäisierung und
der Globalisierung von Wirtschaftsprozessen müssen die
Arbeitnehmerrechte nicht nur in Deutschland, sondern EU- und weltweit
geregelt und gesichert werden. Deshalb treten wir dafür ein, dass die
guten Erfahrungen, die Deutschland mit einer so organisierten
Arbeitnehmerschaft und einer starken Gewerkschaftsbewegung gemacht
hat, als vorbildhaft anerkannt werden. Die Integration Europas darf
nicht zu einem Abbau von Sozialstandards führen.
Vor diesem Hintergrund begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich die
verstärkten Anstrengungen der Gewerkschaften, sich in der EU und
weltweit schlagkräftig zu organisieren.
Und wir sind stolz auf die Erfolge sozialdemokratischer Politik bei
der Herausbildung einer europäischen Betriebs- und
Unternehmensverfassung, beispielsweise bei der Fusionsrichtlinie der
europäischen Aktiengesellschaften und länderübergreifenden
Zusammenschlüssen.
Im Koalitionsvertrag ist die Umsetzung der einvernehmlichen Vorschläge
der so genannten Biedenkopf-Kommission vereinbart. Da in der
Kommission keine Einvernehmlichkeit erzielt wurde, ist mit konkreten
Schritten in dieser Legislaturperiode nicht zu rechnen. Der
Gesprächskreis Mitbestimmung beim SPD-Parteivorstand hat Vorschläge
zur Fortentwicklung der Mitbestimmung vorgelegt. Die Ergebnisse dieses
Gesprächskreises sollen Eingang in das SPD-Regierungsprogramm 2009
finden.
10. Illegale Beschäftigung bekämpfen
Es gibt in Deutschland im großen Umfang Beschäftigung, die sich
jenseits der geltenden Gesetze und Vorschriften bewegt. Dabei werden
weder Arbeitsrecht und Arbeitsschutz beachtet, noch die Ansprüche der
sozialen Sicherungssysteme und des Fiskus.
Ehrliche Arbeitgeber und ehrliche Arbeitnehmer/innen sollen aber nicht
die Dummen sein.
Wir bekämpfen illegale Beschäftigung mit Nachdruck. Die
Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) haben wir in den vergangenen
Jahren deutlich ausgebaut und schlagkräftig ausgestattet. Rund 6.500
Fahnder und Helfer mit entsprechender Kompetenz und Ausrüstung
überprüfen in Betrieben, auf Baustellen und in der Landwirtschaft, ob
gegen geltendes Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht verstoßen wird. Mit
beachtlichen Ergebnissen: Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden
mehr als 4.000 Prüfungsverfahren und mehr als 2.000
Ermittlungsverfahren durch die Arbeit der Finanzkontrolle
Schwarzarbeit durchgeführt.
Trotz der starken Intensivierung der Kontrollen durch die
Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) gibt es noch immer
Gesetzeswidrigkeiten, die weiter und noch intensiver verfolgt werden
müssen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit wird daher unvermindert
fortgesetzt. Wir wollen Recht und Ordnung am Arbeitsmarkt. Dazu gehört
außerdem:
Die Verbesserung der Identitätskontrolle bei der Bekämpfung von
Schwarzarbeit: Um der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) das
sofortige Abrufen der gemeldeten Daten zu ermöglichen, muss sie
unverzüglich die Identität der überprüften Personen feststellen
können. Dafür bedarf es einer bußgeldbewehrten Mitführungspflicht für
Ausweispapiere (Pass oder Personalausweis) für Arbeitnehmer in
besonders schwarzarbeitsanfälligen Branchen. Im Gegenzug kann der
bisherige Sozialversicherungsausweis entfallen.
Die Ausdehnung der Generalunternehmerhaftung über den Baubereich
hinaus soll geprüft werden, damit Unternehmer bei der Auswahl ihrer
Subunternehmer darauf achten, ob diese sich illegaler Praktiken bei
der Beschäftigung von Arbeitnehmern bedienen. Uns geht es dabei nicht
um mehr Bürokratie, sondern um eine Stärkung der
Generalunternehmerhaftung.
Der Privathaushalt muss als Auftraggeber für
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung weiter gestärkt werden.
Deshalb sollten die steuerlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von
Dienstleistungsagenturen im Privathaushalt verbessert werden, indem
Privathaushalte einen größeren Anteil ihrer Aufwendungen für
Dienstleistungsagenturen als bisher von der Steuer absetzen können. In
Pflegehaushalten sollte sowohl bei unmittelbar
sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung als auch bei
Inanspruchnahme von Dienstleistungsagenturen der steuerliche
Absetzbetrag noch darüber hinaus erhöht werden.
11. Ehrenamtliche Arbeit
Unsere Gesellschaft und unsere Demokratie leben ganz wesentlich von
der Bereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger, sich ehrenamtlich zu
engagieren. Über 23 Millionen Menschen sind in Vereinen,
Gewerkschaften und dem politischen Umfeld aktiv. Sie leisten Arbeit -
individuell oder organisiert mit anderen, spontan oder regelhaft,
zeitweise oder dauerhaft -, die den Zusammenhalt erst ermöglicht und
die unsere Gesellschaft prägt.
Wir sehen dieses Engagement mit großem Respekt.
Die staatliche Unterstützung dieser Arbeit haben wir verbessert. Wir
wissen aber, dass das nur die Qualität einer bescheidenen Anerkennung
haben und nicht die wertgemäße Bezahlung dieser gesellschaftlich
wertvollen Arbeit sein kann.
Wir wollen, dass ehrenamtliches Engagement als persönliche Leistung
für unsere Gesellschaft stärker als bisher gewürdigt wird, z.B. bei
den beruflichen Karrierechancen.
Klar bleibt: Das Ehrenamt macht die organisierte Solidarität nicht
entbehrlich, die der Sozialstaat gewährleistet. Und es wird in der
älter werdenden Gesellschaft der Dienst Mensch am Mensch als Beruf
weiter an Bedeutung gewinnen.
12. Soziales Europa
Die soziale Dimension Europas ist Grundwert und Ziel. So ist es in den
Verträgen vereinbart. Wir müssen diese Vereinbarungen mit Leben
füllen. Das setzt eine klare Identifikation mit Sozialstaat, Soziale
Marktwirtschaft und Sozialpartnerschaft voraus.
Politik hat Verantwortung für das Ganze. Angesichts von
Internationalisierung und Globalisierung ist der Primat der Politik
unverzichtbar. Die Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht
umgekehrt. Ökonomie und das Soziale sind zwei Seiten ein und derselben
Medaille.
Wir wollen die Kräfte bündeln für ein Soziales Europa. Denn mit einem
starken Fundament kann Europa nicht nur wettbewerbsfähiger werden und
die lebenswerteste und vielfältigste Region der Welt bleiben.
Gute Arbeit in allen Mitgliedsstaaten der EU - bei wachsender
Freizügigkeit für Unternehmen und Arbeitnehmer - setzt abgestimmtes
Verhalten aller Mitgliedsstaaten und der EU selbst voraus.
Das kann und darf nicht Nivellierung bedeuten und auf absehbare Zeit
werden unterschiedliche Traditionen und das Gefälle im
Wohlstandsniveau dominieren und die Entwicklung prägen.
Möglich und nötig ist es aber, in gemeinsamen Leitlinien auf
europäischer Ebene Ziele für Gute Arbeit und soziale Ziele klar zu
fixieren, die in der Verantwortung der jeweiligen Mitgliedsstaaten
umgesetzt werden.
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