23.06.2007
Kurt Beck: Ein guter Tag für Europa
Zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Brüssel erklärt der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck:
Der heutige Tag ist ein guter Tag für Europa. Es erfüllt mich mit
Erleichterung und stimmt zuversichtlich für die Zukunft, dass auf dem
Europäischen Rat nach zähem Ringen letztlich doch eine erfolgreiche
Verständigung über eine Reform der vertraglichen Grundlagen der
Europäischen Union erreicht wurde.
Mit ihrer sowohl im Vorfeld als auch während des Gipfels stets auf
Ausgleich bedachten, umsichtigen Verhandlungsführung hat die deutsche
Ratspräsidentschaft einen erheblichen Anteil am Gelingen der
Verhandlungen. Hierfür gebührt ihr Dank und Anerkennung!
Nach der Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages vor gut zwei
Jahren in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden und der
anschließenden Phase der Reflexion ist das Bekenntnis zur gemeinsamen
Erneuerung der Europäischen Union ein großer Fortschritt und ein
wichtiges Signal des Aufbruchs.
Auch wenn es zeitweise nicht so aussah, haben sich letztlich in den
Verhandlungen doch Verantwortung, Vernunft und das Bewusstsein für den
großen Wert, den diese Europäische Union für uns alle besitzt,
durchgesetzt. Als ein weltweit beispielloses Friedens- und
Wohlstandsprojekt, auch als Instrument zur friedlichen und sozial
gerechten Gestaltung der Globalisierung sind wir auf eine nach innen
wie außen voll handlungsfähige Europäische Union angewiesen.
Sicherlich bleibt der gefundene Kompromiss in Teilen hinter den
Hoffnungen und Wünschen zurück, die ursprünglich an das europäische
Verfassungsprojekt geknüpft worden sind. So ist insbesondere der
Verzicht auf das Konzept einer Verfassung für viele ein schmerzliches
Zugeständnis. Auch die Tatsache, dass die "doppelte Mehrheit" bei
europäischen Mehrheitsentscheidungen nicht schon mit den übrigen
Vertragsbestimmungen in 2009, sondern erst später in Kraft treten
soll, ist Ausdruck einer weit reichenden Kompromissbereitschaft. Doch
- und dies ist das Entscheidende - die wesentlichen Errungenschaften
des Verfassungsvertrages in der Frage der demokratischen Legitimität
und Handlungsfähigkeit der Union werden in das neue Vertragsgerüst
überführt.
Für uns von besonderer Bedeutung ist, dass die Grundrechte-Charta zu
einem rechtsverbindlichen Grundlagendokument der Europäischen Union
wird, auf das sich die Bürgerinnen und Bürger zukünftig unmittelbar
berufen können und das ihre Rechte nachhaltig stärkt. Sie ist
Inbegriff einer gemeinsamen europäischen Werteordnung, in deren
Mittelpunkt nicht der Markt, sondern der Mensch steht. Mit ihrem
umfänglichen Bestand gerade auch sozialer Grundrechte ist sie darüber
hinaus ein wichtiger Baustein für ein soziales Europa der Zukunft.
Positiv hervorzuheben ist zudem, dass die europäische Außen- und
Sicherheitspolitik zukünftig in den Händen eines einzigen
Repräsentanten zusammengeführt wird, der über die notwendigen
Kompetenzen und Ressourcen verfügen wird, um für Europas gemeinsame
Interessen und Werte in der Welt wirkungsvoll einzutreten. Dass dieser
Repräsentant nicht wie noch im Verfassungsvertrag vorgesehen als
"EU-Außenminister" bezeichnet wird, ist zu bedauern. Entscheidend ist
jedoch nicht, dass er den Titel "Außenminister" trägt, sondern dass er
mit den Kompetenzen eines Außenministers ausgestattet ist.
Auch auf dem Weg zu mehr Demokratie und Bürgernähe bringt der
gefundene Kompromiss Europa ein gutes Stück weiter voran. Insbesondere
werden die Rechte des Europäischen Parlamentes, das in die Rolle eines
echten europäischen Gesetzgebers hineinwächst, deutlich gestärkt.
Die vereinbarten Reformen sind zusammen genommen ein zukunftsweisender
Kompromiss, der die erweiterte Europäische Union und ihre
Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, eine überzeugende Antwort auf
die großen Herausforderungen unserer Zeit zu geben.
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