31.10.2007
Newsletter Extra von "Bahn für alle" zu den Ergebnissen des SPD-Parteitags: Beschluss zur Bahnprivatisierung ist taktischer Erfolg.
Guten Tag und vielen Dank - die Informationen für die SPD,
der Druck auf die SPD hat gewirkt. Die überwiegende
Mehrheit der Delegierten des Parteitags am Wochenende war
überzeugt von den Nachteilen einer Bahnprivatisierung und
überzeugt von den Vorteilen einer Bahn in öffentlicher
Hand. Dies haben unsere Aktivistinnen und Aktivisten vor
Ort deutlich gemerkt, die tausende Flugblätter an die
Sozialdemokraten verteilt und zig interessante Gespräche
geführt haben.
Die Überzeugung wurde nicht zu einem ganz eindeutigen
Beschluss, doch die Taktiker der Partei bekommen Recht:
Ganz offensichtlich ist die Bahnprivatisierung zunächst
ausgebremst. Richtig gestoppt ist sie, wenn die Alternative
der besseren Bahn in öffentlicher Hand ausformuliert ist.
Sie haben sicher die vielen Berichte und Analysen in den
Zeitungen gesehen. Wir fügen hier unsere Bewertung hinzu
und appellieren an Sie: Jetzt nicht nachlassen!
Wir müssen aufpassen, dass es nicht doch noch zu einem
faulen Kompromiss im Bundestag kommt und dass nun wirklich
über die Zukunft der Bahn diskutiert wird.
Wir senden Ihnen heute gleich zwei Hintergrundtexte: Ein
Interview mit Peter Conradi, der in der Parteitags-Debatte
zur Bahnprivatisierung eine mitreißende Rede hielt und nun
die Situation analysiert, und unsere Einschätzung zum
Parteitag.
Mehr Infos finden Sie hier...
"Bahn für Alle" ist mit Ihnen stolz auf diesen Erfolg - wir
werden gemeinsam daran weiter arbeiten!
Mit sehr fröhlichen Grüßen
Stefan Diefenbach-Trommer
für das Kampagnenteam "Bahn für Alle"
P.S.: Fernsehtipp für diese Woche - der Film "Der Zug zur
Börse - Bleibt die Bahn auf der Strecke?" wird in einer auf
30 Minuten gekürzten Fassung gesendet am Sonntag, 4.
November, 16.15 Uhr, SWR-Fernsehen.
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Interview mit Peter Conradi:
Bahnprivatisierung gescheitert,
jetzt nach vorne orientierende Bahnreform diskutieren
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Peter Conradi, ehemaliger SPD- Bundestagsabgeordneter,
Erstunterzeichner des Aufrufs "Sozialdemokraten gegen
die Privatisierung der Bahn" und Mitglied der
Expertengruppe "Bürgerbahn statt Börsenbahn" (einem der
ersten Träger dieses Bündnisses) hielt auf dem
SPD-Parteitag eine begeisternde Rede gegen die
Bahnprivatisierung, die den Umschwung auslöste. Seine
Rede wurde mit stehenden Beifall und Jubelrufen bedacht.
Im Interview mit Winfried Wolf bewertet Conradi das
Ergebnis des Parteitags.
Winfried Wolf:
Laut der Nachrichtenagentur AP gab es nach Deiner Rede
auf dem SPD-Parteitag zum Thema Bahnprivatisierung
"Jubel bei den Delegierten"; Spiegel-TV schreibt von
"frenetischem Beifall". Wie auch immer - diese Rede war
entscheidend für das Weitere.
Peter Conradi:
Sagen wir mal so: Es gab viel Beifall und viel
Zustimmung. Vor allem wegen meiner Rede sah sich der
Parteivorstand veranlasst, den eigenen Antrag vom
Vortag, wonach eine Bahnprivatisierung zunächst nur in
Form des Verkaufs von 25,1 Prozent der Anteile als
stimmrechtslose Vorzugsaktien vorzunehmen, nochmals zu
verschärfen.
Es gab den berechtigten Verdacht, dieses Modell solle
davon ablenken, dass man am Ende als SPD-
Bundestagsfraktion mit der CDU/CSU verhandelt und dass
es am Ende einen faulen Kompromiß geben würde. Das
musste Beck mit seiner Intervention nun ausschließen.
Nach der Parteitagsentscheidung wird ein möglicher
Kompromissvorschlag mit der CDU/CSU in den Gremien der
SPD, auch auf einem Parteitag, diskutiert und
entschieden werden müssen.
Wolf:
Ist das wirklich abgesichert, dass in einem solchen
Fall die Entscheidung bei einem Parteitag liegt?
Conradi:
Ja. Selbst wenn der Wortlaut ein Hintertürchen offen
lassen würde, so scheint mir ein anderer Weg nicht
gangbar. Alles andere wäre ein Affront gegen die
Partei, den sich die Führungen von Fraktion und Partei
nicht leisten können.
Wolf:
Mein Eindruck war, dass Du mit Deiner Position fast
allein auf weiter Flur standst. Die Parteilinke -
Hermann Scheer, Björn Böhning oder Edelgard Bulmahn -
vertrat ausschließlich und oft vehement das Modell
einer Volksaktienbahn.
Conradi:
Die Mitglieder der Parteilinken hatten eine andere
Einschätzung der Kräfteverhältnisse. Sie gingen davon
aus, dass der Parteitag sich nicht zu einem klaren Nein
durchringen könnte. Daher konzentrierten sie sich auf
den Kompromissantrag: Volksaktien ja - Heuschrecken
nein. Ich selbst war mir unsicher - und bin es
weiterhin. Es gab nach meiner Rede die Möglichkeit,
dass der Parteitag Nein zu jeder Art Bahnprivatisierung
sagen würde. Doch es war nur eine Möglichkeit. Diese
Gefahr allerdings hat Kurt Beck bewogen, die Notbremse
zu ziehen und seine Autorität in die Waagschale zu
werfen.
Wolf:
Das Aktionsbündnis "Bahn für Alle" und von Campact
waren vor dem Kongresszentrum und als Gäste im
Parteitag weithin sichtbar präsent. Es gab Dutzende
Leute in grünen Bahner-Schutzjacken, es gab den Sketch
"Bahnopoly" mit einem Mehdorn mit Euro-Ohren auf dem
Vorplatz. Es gab viele Dutzend einzelne Gespräche mit
Delegierten. Zeigte das Wirkung?
Conradi:
Ohne Zweifel. Die eigentliche Wirkung erzielte "Bahn
für Alle" allerdings in den Monaten und Wochen vor dem
Parteitag. Da gab es eine neue Qualität. Hunderte
Ortsvereine wurden mit unseren Argumenten erreicht. Elf
SPD-Landesverbände fassten Voten gegen eine
Bahnprivatisierung. Das war zu einem erheblichen Teil
"Bahn für Alle" zu verdanken. Auf Parteitagen muss man
Flagge zeigen. Doch kurzfristiges Einwirken ist dort
meist nicht mehr möglich.
Wolf:
Nun gab es von dem Gesetzentwurf ja bereits eine -
nicht unwichtige - erste Lesung im Bundestag am 28.
September. Besteht jetzt nicht die Gefahr, dass der
Antrag durch die zuständigen Ausschüsse geschleust wird
und dass es irgendwann an einem unerwarteten Zeitpunkt
doch noch eine entscheidende zweite und dritte Lesung
gibt?
Conradi:
Diese Angst hatte ich bis zum vergangenen Freitag. Doch
nach der Debatte auf dem Parteitag sehe ich diese
Gefahr nicht mehr. Kurt Beck trat in dieser Sache so
eindeutig auf, dass die Bundestagsfraktion sich eine
solches Vorgehen quasi hinter dem Rücken des
Parteivorsitzenden nicht wird leisten können. Die SPD-
Fraktion wird mit der CDU/CSU-Fraktion verhandeln.
Nun gibt es in der CDU/CSU ja unterschiedliche Kräfte,
die ein Scheitern des Bahnprivatisierungsgesetzes
wünschen. Auf der einen Seite sind das diejenigen, die
eine Zerschlagung der Bahn - mit der Trennung von Netz
und Betrieb - wünschen. Auf der anderen Seite gibt es
wertkonservative Kräfte um den Abgeordneten
Königshofen, die ehrenwerte Gründe für ihre Ablehnung
des Gesetzentwurfes haben.
Die Frage wird sein: Wie verhält sich die Kanzlerin?
Sie soll sich durchaus vehement für die Privatisierung
der Bahn ausgesprochen haben. Gleichzeitig ist die Frau
klug. Sie hat sich nach der Bundestagswahl von
neoliberalen Gestalten wie März und Kirchhoff getrennt.
Und sie weiß ja wohl auch, dass eine Bahnprivatisierung
höchst unpopulär ist.
Betrachtet man die gesamte Gemengelage, dann gehe ich
davon aus, dass das Projekt Bahnprivatisierung für die
nächsten zwei Jahre und bis nach der Bundestagswahl
2009 vom Tisch ist.
Wolf:
Was ergibt sich daraus für die Kampagne gegen das
Projekt?
Conradi:
Die Leute bei "Bahn für Alle" sollten sich im Klaren
sein, dass sie vor allem zu diesem Erfolg beigetragen
haben. Rückwärtsgewandte Gefechte - etwa gegen eine
Volksaktienbahn - halte ich jetzt für unangebracht. Das
steht nicht auf der Tagesordnung. Jetzt sollten wir
eine nach vorne orientierende Bahnreform diskutieren.
Wenn die Lufthansa mit Star Alliance internationale
Kooperationsprojekte betreibt, dann müssen wir Modelle
für eine Zusammenarbeit der Bahnen in Europa
entwickeln. Wir müssen herausstellen, dass die
Bundesregierung die Pflicht hat, die Führung der DB AG
zu kontrollieren, sie zu einer nachhaltigen Bahnpolitik
anzuhalten.
Statt einem Nein sollten wir Ja zu einer Bahnreform
sagen - zu einer bundeseigenen Bahn, die bürgernah ist
und Alternativen im Verkehr aufzeigt.
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Ab in die Zukunft: SPD bremst Bahnprivatisierung
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Die SPD hat während ihres Bundesparteitags vom 26. bis 28.
Oktober von der Bahnprivatisierung faktisch Abschied
genommen. Die SPD-Basis hat deutlich gezeigt, dass sie eine
Bahn in öffentlicher Hand will, keine Privatisierung. CDU
und CSU erklären, dass sie auf die Forderungen der SPD
nicht eingehen wollen. Nun kann endlich eine ernsthafte
Debatte über die Zukunft der Bahn in Deutschland geführt
und der fatale Privatisierungskurs der DB AG beendet
werden.
Was die Delegierten wollten - eine glasklare Ablehnung der
Bahnprivatisierung - haben sie so nicht beschlossen,
nachdem der gerade im Amt bestätigte Parteivorsitzende Kurt
Beck einen anderen Beschluss forderte. Doch da ging es mehr
um den Schutz der bisherigen Privatisierungsbetreiber in
SPD-Fraktion und Bundesregierung. Die SPD hat
Mindestforderungen für eine Privatisierung aufgestellt:
* Eine Privatisierung der Bahn darf es bestenfalls mit
stimmrechtslosen Vorzugsaktien geben.
* Der Einfluss Privater soll ausgeschlossen werden.
* Bekräftigt wird der öffentliche Auftrag der Bahn.
Damit die SPD in der Koalition nicht hinter diesen
Beschluss zurückfällt, wird festgelegt, dass über andere
Lösungen erneut ein Parteitag entscheiden muss. Doch die
Union akzeptiert die Forderungen nicht. Die SPD kann
dahinter nicht zurück. Also bleibt die Bahn in öffentlicher
Hand.
Seit Monaten herrschte Stillstand bei der Entwicklung der
Deutschen Bahn AG, da nur um Privatisierungsvarianten
gerungen wurde und beteiligte Politiker und Bahn-Manager
ihr Gesicht wahren wollten. Wenn die Parteien jetzt
Antworten auf die anstehenden Fragen jenseits von
Privatisierung suchten, könnte daraus eine befruchtende
Debatte über die Bahn der Zukunft werden:
* Wie kann die Deutsche Bahn sich für europäischen Verkehr
aufstellen, ohne in Großmannssucht zu verfallen und Global
Player zu spielen?
* Wie können Güter auf der Schiene bis nach Asien
transportiert werden, ohne dass der Personenverkehr in die
Regionen vernachlässigt wird?
* Wie können Tendenzen zur weiteren Liberalisierung des
Schienenverkehrs politisch gestoppt werden, damit
unrentable, aber wichtige Verbindungen erhalten bleiben?
* Wie kann eine attraktive Bahn den Autoverkehr zurück
drängen?
Vielleicht wird die Bundestagswahl 2009 zur
Richtungsentscheidung für die Bahn.
Eine Privatisierung nach dem SPD-Modell wäre falsch. Denn
auch stimmrechtslose Vorzugsaktien können auf Dauer
Großinvestoren und ihren Einfluss nicht verhindern. Jeder
Verkauf von DB-Anteilen setzt die Bahn einem Renditedruck
aus, dessen Folgen Streichungen von
Fernverkehrsverbindungen, verteuerter Nahverkehr, weniger
Güterverkehr auf der Schiene sowie höhere Fahrpreise wären.
Der falsche Kurs der DB AG würde damit nicht korrigiert.
Zudem könnte durch eine Gesetzesänderung oder das
Ausbleiben der garantierten Dividende die Stimm-
rechtslosigkeit entfallen, so dass Aktienbesitzer oder
Zweitkäufer Einfluss auf die Unternehmenspoli-tik bekommen.
Links zum Thema:
Lesen: SPD-Bundesparteitag in Hamburg - was passiert ist
http://www.DeineBahn.de/story/14/2414.html
Informieren: Beschluss der SPD und Vergleich zum
Vorstandsantrag
http://www.DeineBahn.de/story/94/294.html
Diskutieren: Wie weiter mit der Bahn nach dem Beschluss des
SPD-Bundesparteitags?
http://www.DeineBahn.de/scr/discussion_comment/index/2416
Abstimmen: Was bedeutet der Beschluss der SPD?
http://www.DeineBahn.de/scr/poll/center/5
Diskutieren: Wie kann die Deutsche Bahn sich für
europäischen Verkehr aufstellen, ohne in Großmannssucht zu
verfallen und Global Player zu spielen?
http://www.DeineBahn.de/scr/discussion_comment/index/2417
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Kampagnen-Ticker
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Bahn für alle hat jetzt 15 Träger: Die zweitgrößte
Gewerkschaft Deutschlands, die IG Metall, ist neu dabei,
der Juso-Bundesverband ersetzt den Berliner Landesverband
der Nachwuchsorganisation der SPD.
http://www.DeineBahn.de/story/74/174.html
Mittlerweile haben mehr als 1.700 SPD-Mitglieder den Aufruf
gegen jede Bahnprivatisierung unterschrieben. Noch vor dem
SPD-Parteitag unterzeichneten die Bundestagsabgeordneten
Lale Akgün, Klaus Barthel, Dr. Peter Danckert, Lothar Mark,
Ottmar Schreiner und Dr. Wolfgang Wodarg.
http://www.DeineBahn.de/scr/spd_signature/liste
In der vergangenen Woche sind zwei neue Blätter der Reihe
Bahn-Fakten erschienen:
Nr. 10: Eine Volksaktien-Bahn ist keine Alternative
http://www.DeineBahn.de/story/91/2391.html
Nr. 11: Wer profitiert von der Bahnprivatisierung?
http://www.DeineBahn.de/story/92/2392.html
Trainspotting gegen Bahnprivatisierung - der Fotowettbewerb
von Robin Wood hat tolle Ergebnisse gebracht.
http://www.robinwood.de/fotowettbwerb
"Bahn für Alle" ist ein Bündnis von 15 Organisationen aus
Globalisierungskritikern, Umweltschutzverbänden,
politischen Jugendverbänden und Gewerkschaften und setzt
sich ein für eine verbesserte Bahn in öffentlicher Hand.
Träger des Bündnisses sind Attac, Bahn von unten, BUND,
Bürgerbahn statt Börsenbahn, Eurosolar, Grüne Jugend, Grüne
Liga, IG Metall, Jusos in der SPD, Linksjugend Solid,
NaturFreunde Deutschlands, Robin Wood, Umkehr, VCD
Brandenburg und Verdi.
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Dies ist der DeineBahn-Newsletter des Bündnisses "Bahn für Alle".
Mehr Informationen im Internet: http://www.DeineBahn.de
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