14.03.2008
Großer Erfolg für 2 Millionen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen
Berlin - Zur Verabschiedung der Pflegereform erklärt die
stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Elke Ferner:
Heute haben wir im Deutschen Bundestag die Pflegereform verabschiedet.
Das nun vorliegende Gesetz enthält ein umfangreiches Maßnahmenpaket
zugunsten der pflegebedürftigen Menschen, ihrer Angehörigen und der
Pflegekräfte.
Die häusliche Pflege wird durch bessere und neue Leistungen gestärkt.
Die Pflegeleistungen werden insgesamt angehoben und dynamisiert. Neu
eingeführt wird ein eigenständiger Leistungsanspruch für Menschen mit
eingeschränkter Alltagskompetenz. Mit der Möglichkeit des Poolens von
Pflegeleistungen in Wohngemeinschaften oder der Nachbarschaft werden
sogenannte neue Wohnformen gefördert. Gestärkt wird auch die
Rehabilitation vor und in der Pflege, dazu werden die Übergänge
zwischen Krankenhaus, Reha-Einrichtung und häuslicher beziehungsweise
stationärer Pflege deutlich verbessert.
Ein Herzstück der Reform bilden die Pflegestützpunkte, für deren
wohnortnahe Einrichtung sich hoffentlich alle Bundesländer entscheiden
werden. Hier sollen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen umfassend
und unabhängig beraten werden - und zwar integriert und koordiniert.
Dazu gehören zum Beispiel Kommunen, Sozialhilfeträger, örtliche
Leistungserbringer, Pflegedienste und Ehrenamt. Das aufwendige
Aufsuchen vieler einzelner Stellen zur Organisation der Pflege soll
damit der Vergangenheit angehören. Die - soweit vorhanden - in den
Pflegestützpunkten angesiedelten Pflegeberaterinnen und -berater
erstellen einen auf den jeweiligen Pflegefall maßgeschneiderten
Versorgungsplan und sorgen für dessen Umsetzung. Der ab 1. Januar 2009
bestehende Rechtsanspruch auf Pflegeberatung gilt auch, wenn noch kein
Pflegestützpunkt in erreichbarer Nähe vorhanden ist.
Zum Aufbau des Stützpunktnetzes stehen insgesamt 60 Millionen Euro als
Anschubfinanzierung zur Verfügung. Je Stützpunkt können 45.000 Euro -
bei Einbindung des Ehrenamtes sogar 50.000 Euro gewährt werden. Leider
hat die Union darauf bestanden, dass die ursprüngliche im
Gesetzentwurf vorgesehene Gesamtfördersumme von 80 Millionen Euro um
20 Millionen Euro gekürzt wird. Deshalb werden 400 Stützpunkte weniger
eine Anschubfinanzierung erhalten können. In den Stützpunkten können
Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen auch die erforderlichen Anträge
auf Pflegeleistungen stellen, die von dort an die jeweiligen
Leistungsträger weitergeleitet werden und von diesen unverzüglich zu
entscheiden sind. Selbstverständlich kann die Pflegeberatung auch in
der Häuslichkeit der Pflegebedürftigen stattfinden. Wir sind davon
überzeugt, dass sich das Konzept der Pflegestützpunkte durchsetzt, und
dass es in absehbarer Zukunft in allen Bundesländern Pflegestützpunkte
geben wird.
Wir sorgen mit der Pflegereform für mehr Transparenz und für mehr
Qualität in der Pflege. Viele Einrichtungen haben von sich aus schon
sehr viel getan, damit die Qualität in der Pflege verbessert wird.
Allerdings gibt es auch Einrichtungen, in denen die Pflegequalität
noch erhebliche Mängel aufweist.
Deshalb wird die Regelprüfung ab dem Jahr 2011 jährlich stattfinden.
Es wird in erster Linie die Ergebnisqualität, das heißt, der Pflege-
und Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen geprüft werden und zwar
immer durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Erst an
zweiter Stelle folgt die Kontrolle der Dokumentation. Geprüft wird
grundsätzlich unangemeldet. Der MDK soll aber in Zukunft nicht nur
prüfen, sondern die Einrichtungen auch beraten und Empfehlungen geben,
wie Qualitätsmängel beseitigt werden können. Die Prüfergebnisse müssen
in verständlicher Form veröffentlicht werden und über die Pflegekassen
und Pflegestützpunkte zugänglich gemacht werden. Außerdem muss das
Prüfergebnis in vereinfachter Form in den Einrichtungen sichtbar
gemacht werden.
Leider konnten wir einige wichtige Neuerungen aufgrund der Blockade
unseres Koalitionspartners in dieser Pflegereform nicht verwirklichen.
Dazu gehört unser Vorschlag, für nahe Angehörige von Pflegebedürftigen
zur Erstorganisation der Pflege, aber auch bei Verschlechterung der
Situation eine bezahlte Freistellung von bis zu zehn Tagen zu
ermöglichen, bleibt für uns bestehen. Unser Koalitionspartner war
nicht bereit, dies mitzutragen.
Ebenso konnten wir den längst überfälligen Ausgleich der
unterschiedlichen Risikoverteilung zwischen sozialer
Pflegeversicherung und privater Pflegeversicherung nicht regeln,
obwohl wir im Koalitionsvertrag einen Ausgleich der Risiken vereinbart
hatten.
Beide Zweige der Pflegeversicherung bieten exakt die gleichen
Leistungen. Allerdings hatte die private Pflegeversicherung im Jahr
2005 je 100 Versicherte nur Leistungen für 1,3 Pflegebedürftige, die
soziale Pflegeversicherung dagegen Leistungen für 2,8 Pflegebedürftige
aufzubringen. Das ist nicht gerecht und die SPD wird das 2009 genauso
wieder aufgreifen wie eine gerechtere Finanzierung mit einer
Bürgerversicherung auch in der Pflegeversicherung.
Dennoch, diese Reform ist ein großer Erfolg für die fast zwei
Millionen Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen.
Die Herausforderungen, die durch eine älter werdende Gesellschaft an
das Wohnumfeld, die soziale Infrastruktur in den Städten und Gemeinden
gestellt werden, müssen schon jetzt in Angriff genommen werden. Dafür
sind die Länder und die Kommunen zuständig. Die Mitglieder der
Landtage und die Stadt- und Gemeinderäte sind aufgefordert, soweit
dies noch nicht geschehen ist, diese Herausforderungen anzunehmen.
Alle politischen Ebenen müssen gemeinsam mit der Bevölkerung nach
Lösungen suchen. Es muss für alle Menschen sichergestellt werden, dass
auch dann, wenn sie auf Unterstützung und Hilfe angewiesen sind, sie
am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Dabei sollen sie in
ihrer gewohnten Umgebung bleiben, menschliche Zuwendung und eine
menschenwürdige Pflege erfahren können.
|