11.11.2008
http://www.fr-online.de/top_news/1627824_Heulend-auf-dem-Kuechenboden.html
Auszüge:
Eine ganze Woche waren sie abgetaucht, dann suchten sie am Montagabend den großen Auftritt in der ARD-Talkshow "Beckmann": Die vier SPD-Abweichler
Gegenüber Moderator Reinhold Beckmann begründeten Carmen Everts, Silke Tesch und Jürgen Walter ihre späte Entscheidung damit, dass sie bis zuletzt auf einen Ausstieg aus der "Linksbeteiligung" gehofft hätten. Man habe unter großem Druck gestanden und sich wegen der "Anfeindungen" schwer getan mit der Entscheidung, sagte Tesch. Man habe sich "konstruktiv am Prozess beteiligen" wollen, so Walter.
Man habe den "falschen Weg" nicht gehen wollen, sagte Carmen Everts, die lieber eine große Koalition mit der CDU gesehen hätte und wegen ihrer Gewissensqualen auch mal "heulend auf dem Küchenboden" saß. Walter räumte jedoch ein, dass sein langes Zögern falsch gewesen sei. "Es war ein Fehler, dass ich bis zuletzt gesagt habe, ich trage die Parteitagsentscheidung mit."
Die Talkshow-Antwort auf die vier Abweichler wird übrigens am heutigen Dienstag folgen. Dann lassen sich SPD-Chefin Andrea Ypsilanti und ihr Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel im ZDF von Johannes B. Kerner befragen.
Diese abwegigen Schein-Begründungen sind nur ein weiterer Beweis für Unglaubwürdigkeit. Auf den Ausstieg aus der „Linksbeteiligung“ bis zuletzt zu hoffen, nach einem langen und breiten innerparteilichen Meinungsbildungsprozeß – abschließend mit einem 95%-Votum des
Landesparteitags pro Koalitionsvereinbarung einer Minderheitsregierung, toleriert durch die Linksfraktion -, zeugt entweder von völligem Realitätsverlust oder Heuchelei. Warum haben sie diese Motive und Konflikte zuletzt vor dem Landesparteitag verschwiegen? Offenbar ebenso
gegenüber Andrea Ypsilanti und der SPD-Führung, die mit der last-minute gezündeten Bombe nach Lage sicher nicht rechnen konnten. Andernfalls hätte man das hessische Projekt rechtzeitig gestoppt. Genau besehen erweisen sich deren geoutete „Gewissensqualen“ in dem absichtsvoll gewählten timing als Misstrauensvotum gegenüber ihrer eigenen Partei, als verantwortungsloser, hinterhältiger Egotrip einer unsolidarischen SPD-Sekte, der in jeder Hinsicht destruktiv wirkt. Um ihrer Selbstachtung willen sollten die 3 Solisten ihren Hut nehmen, von nun an schweigen, in die politische Wüste ziehen und sich andere Betätigungsfelder suchen, wo sie keine weiteren Flurschäden anrichten können.
Die ganze SPD ist gut beraten, sich inhaltlich und persönlich an eigenen Grundwerten zu orientieren und sich auf sozialdemokratische Urtugenden zurückzubesinnen. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind untrennbar aufeinander bezogen und müssen mit Leben erfüllt werden, innerparteilich und politisch. Die Parteiräson gebietet einen solchen selbstverpflichtenden, -disziplinierenden und –reinigenden Grundkonsens, mit dem Toleranzgrenzen gegenüber ausufernden Beliebigkeiten klarer als bisher gezogen werden sollten. Ohne ein solches gemeinsames Fundament, ohne eigene Mitte ist politische Gemeinschaft, die weit mehr als die Summe von Individualisten ist, weder denkbar noch könnte sie dauerhaft erfolgreich sein. Gemeinwohl und Gesamtinteresse der Sozialdemokratie bilden den Rahmen unserer politischen Kraft und Wirkung auf der Grundlage programmatischer
Strategie, mit der wir ein unverwechselbares sozialdemokratisches Bild von
Zukunft entwickeln.
Eine engagierte Stimme aus der SPD.
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