Im Alter von 91 Jahren verstarb am gestrigen Sonntag der frühere chilenische Diktator Augusto Pinochet in Santiago de Chile an den Folgen eines Herzinfarktes. Der General hatte im Jahr 1973 gegen den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende geputscht und sein 17jähriges Terrorregime errichtet, in dessen Verlauf tausende chilenische Bürger verfolgt, getötet oder gefoltert wurden.
„Die spontanen Massenversammlungen und Freudenkundgebungen tausender Chilenen auf der Plaza Italia und vor dem Regierungspalast in Santiago sowie im ganzen Land zeigen, dass der Tod des greisen Autokraten von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung mit einem Gefühl der Erleichterung und Befreiung aufgenommen wurde“, so Lothar Mark, Beauftragter der SPD-Bundestagsfraktion für Lateinamerika.
In den Reaktionen der Menschen wurde offenkundig, wie sich Chile in der Beurteilung der Ereignisse der diktatorischen Vergangenheit verändert hat: Noch vor drei Jahren, als sich die Machtübernahme der Militärs zum 30. Mal jährte, kam es zu heftigen Ausschreitungen und Straßenschlachten. Die relative Ruhe der vergangenen Nacht ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass viele der früheren Anhänger des Expräsidenten, der „Pinochetistas“, auf Grund der jüngsten und eindeutigen Beweise für die Untaten Pinochets den verbrecherischen Charakter „ihres Generals“ letztlich doch erkannten. Jüngste Umfragen ließen den sinkenden Rückhalt für die Person Pinochet in der Gesellschaft erkennen. Auch die politische Rechte rückt mehr und mehr von ihrem einstigen Heros ab. So erklärte der unterlegene Präsidentschaftskandidat der rechten Parteien, Sebastián Piñera von der konservativen Partei „Revonvación Nacional“ (RN), er sei mit der Entscheidung der Präsidentin, Pinochet kein Staatsbegräbnis zu gewähren, einverstanden.
Lothar Mark: „Die Entscheidung von Präsidentin Bachelet, dem verstorbenen Militärdiktator kein Staatsbegräbnis zu gewähren ist richtig und gerecht. Es wäre eine Verhöhnung der Opfer und ihrer Angehörigen gewesen, wenn Ehrenformationen an einem Katafalk für Pinochet vorbei defiliert wären. Im Lichte unseres heutigen Kenntnisstands über die Verbrechen und den Terror des Militärregimes in Chile, ist es geradezu skandalös, dass die frühere britische Premierministerin, Margret Thatcher, mitteilen lässt, dass sie die Todesnachricht „mit tiefer Trauer“ vernommen habe.“ erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete weiter.
Bedauerlich ist die Nachricht von General Pinochets Tod vor allem aus dem Grunde, dass der General nie wegen seiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung gezogen und verurteilt wurde. „Die Strafverfolgung der Menschenrechtsverbrechen durch die chilenische Justiz muss, das ist die Lehre aus dem Fall Pinochet, effektiver werden, damit sich Verbrecher wie General Pinochet nicht ihrer gerechten Strafe entziehen können und den Opfern und ihren Angehörigen auch im Sinne des nationalen Versöhnungsprozesses endlich Gerechtigkeit widerfährt“, so Lothar Mark.
„Pinochet war und ist Symbol einer verlorenen Dekade für die Demokratie in Lateinamerika. Sein Name steht stellvertretend für die lateinamerikanischen Militärdiktaturen und den staatlichen Terror von den 1960er bis in die 1980er Jahre hinein, die glücklicherweise überwunden sind. Dass der Militärdiktator ausgerechnet gestern, am internationalen „Tag der Menschenrechte“ starb, ist wahrlich eine Ironie der Geschichte. Ich denke, der Tod Pinochets wird befreiend auf die chilenische Gesellschaft wirken und das Fortschreiten des nationalen Versöhnungsprozesses fördern.“
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