"Sehr geehrter Herr Uhlig,
in Ihrer E-Mail vom 19. Mai 2004 zeigten Sie großes Verständnis für die Kanzlerohrfeige in Mannheim und rechtfertigten die Tat mit der politischen Unzufriedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger. Diese Haltung fordert mich zum Widerspruch auf.
Sie mögen mit der Politik der Bundesregierung und, wie Sie schreiben, allen voran des Kanzlers, nicht einverstanden sein. Dies ist Ihr gutes Recht in einem Land, zu dessen obersten Grundsätzen die freie Meinungsäußerung gehört. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich in die politische Diskussion einzubringen und Unmut gegenüber politischen Entscheidungen der Volksvertreter zu äußern. Die Anwendung von Gewalt hat jedoch nichts mit sachlicher Kritik zu tun und kann keineswegs durch emotionale Verärgerung legitimiert werden. Jedes Kind lernt, Konflikte verbal und nicht mit Fäusten auszutragen.
Dass Sie in Ihrem Schreiben die Anwendung von Gewalt ausdrücklich billigen, ja sogar gutheißen, ist erschütternd. Die Attacke auf den Regierungschef war schließlich auch ein Schlag gegen die Demokratie und unser Rechtsverständnis insgesamt. In einer Gesellschaft, die Gewalt aufs Schärfste verurteilt, ist die Auffassung, man könne da bei Politikern eine Ausnahme machen, schlichtweg absurd und entbehrt jeglicher moralischer Legitimation.
Die Art, wie Teile der Medien mit dem Angriff auf Bundeskanzler Schröder umgegangen sind, ist ein Skandal. Einen Akt der Gewalt zu beschönigen und den Täter als „Robin Hood des Schwarzwaldes“ zu glorifizieren, ist in höchstem Maße populistisch und gefährlich. Die Unzufriedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger mit den seit langer Zeit notwendigen und sicher schmerzhaften Reformen darf keine gewalttätigen Übergriffe rechtfertigen. Hier sind auch wir Politiker und die Medien gefordert, bei der Bevölkerung für mehr Verständnis zu werben.
Mit Blick auf unsere rechtsstaatlichen und demokratischen Grundprinzipien halte ich die strafrechtliche Verfolgung des Mannes sowie seinen Parteiausschluss für vollkommen richtig.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Mark"
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Und hier finden Sie das Schreiben von Richard Uhlig vom 19.05.2004:
"Sehr geehrter Herr Mark,
zu diesem Vorfall äusserten Sie sich, ich zitiere den letzten "Spiegel":
"Diese Tat ist ein aggressiver Akt gegen die Politik der Bundesregierung. Ich bin äußerst bestürzt darüber und hoffe, dass der Täter bestraft wird."
Wissen Sie eigentlich, dass das, was dieser arbeitslose Lehrer getan hat, am liebsten etliche hunderttausend in der Bundesrepublik tun würden? Warum? Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine Regierung, allen voran der Kanzler, die Bevölkerung so veräppelt. Noch nie wurden wir so angelogen, wurde die Unfähigkeit von Politikern derart offenbar. Nein, sicher, die "Anderen", also die derzeitige Opposition, hätte es keinen Deut besser gemacht. Unser Problem ist: derzeit sind fähige Spitzenpolitiker weit und breit nicht zu finden! Die Zeiten, als ein Dr. Ludwig Erhard im Amt war, Sachverstand das Handeln bestimmte, kommen wohl leider nie wieder. Nein, wundern tut es mich durchaus nicht, dass da einem mal die Hand ausrutscht. Aber anstatt endlich mal wirklich vernünftige Politik zu machen, mal auf Fachleute zu hören und das innerpolitische Geplänkel und Intrigenspiel beiseite zu lassen - bekommt Schröder in Zukunft vermutlich besseren Personenschutz. Ändern an der Berliner "Kakofonie" wird sich nichts. Und jeden Tag wird eine neue Sau durch´s Dorf getrieben. Bis - ja, bis vielleicht mal "gegen Oben" revoltiert wird. Allerdings glaub ich gar nicht, dass die Deutschen mal ne richtige Revolution zusammenbringen. Lieber lassen sie sich weiter veräppeln.
Ich jedenfalls würde diesem arbeitslosen Lehrer sogar gerne verteidigen, wäre ich Rechtsanwalt.
Es grüßt Sie
R. Uhlig
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