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10.09.2007
Lothar Mark schreibt an Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble wegen der Folgen der Bundespolizeireform für die Metropolregion Rhein-Neckar
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Auswirkungen der Bundespolizeireform für die Metropolregion Rhein Neckar


Sehr geehrter Herr Bundesminister,


vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um eine grundlegende Reform der Bundespolizei stehe ich als Mannheimer Abgeordneter in engem Kontakt mit Gewerkschaftsvertretern vor Ort. Diese haben mir erst kürzlich ihre Sorgen im Zusammenhang mit den geplanten Änderungen vorgetragen.


Statt fünf Präsidien, 21 Ämtern und 108 Inspektionen soll es künftig nur noch ein Präsidium und darunter Direktionen und Inspektionen geben. Das BMI will laut Ihren Aussagen die Bundespolizei zur „schlanksten Verwaltung im Bundesgebiet“ machen. Es ist vorgesehen, die Bundespolizei Mannheim künftig Karlsruhe zuzuordnen. 


Für Mannheim hätte dies folgende Konsequenzen:




  • Die bisherige Zuständigkeit der BPOLI Mannheim wird begrenzt auf das Land Baden- Württemberg und verringert sich um die Anteile in den Ländern Hessen und Rheinland- Pfalz. War die BPOLI Mannheim also vor der Reform für die gesamte Metropolregion Rhein-Neckar zuständig, so wird dies zukünftig nicht mehr der Fall sein.


  • Die BPOLI Mannheim wird abgewertet zum Bundespolizeirevier.


  • Das Personal wird um den anteiligen Verlust an Zuständigkeitsgebiet und Belastung reduziert. Die Gebietsverluste betragen ca. 30%, ebenso das Arbeitsaufkommen, demnach kann von einer Reduzierung der derzeit 110 Beschäftigten um ca. 30% ausgegangen werden.

Zu erwartende Nachteile für die Metropolregion:




  • Bei allen bundesländerübergreifenden Einsätzen, Ermittlungen, Hilfeleistungen, Veranstaltungen, koordinierten Projekten usw. muss zukünftig in der Metropolregion nicht nur zwischen drei Landespolizeien, sondern auch mit drei Bundespolizeiorganisationen eine Übereinstimmung gefunden werden.


  • Hierdurch ist ein weitaus höherer Koordinierungs- und Abstimmungsaufwand zu erwarten.


  • Die bisherige länderübergreifende Rolle der Bundespolizei in Mannheim, die sich eben nicht an politische Grenzen hielt, sondern nach kriminalgeografischen und soziologischen Aspekten eines Wirtschaftsraumes und einer über Ländergrenzen hinweg gewachsenen Bevölkerungsstruktur ausgerichtet hat, wird erheblich geschwächt und die jahrelange hervorragende Zusammenarbeit in dem durch die Sicherheitspartnerschaft Rhein-Neckar geschaffenen Projekt der vier Polizeien (Polizeien RP, BW, HE und BPOL) konterkariert.


Eine entscheidungsbefugte Führung war bislang in der gesamten Metropolregion nicht vorgesehen. Auch wenn es heißt, dass sog. Revierleiter eingesetzt werden sollen, sind diese weisungsgebunden an Entscheidungen der führenden BPOLI. Hierdurch ist zu befürchten, dass bei Konkurrenzentscheidungen diese nicht zu Gunsten, sondern zu Lasten der Metropolregion ausfallen, da der Sitz der zukünftigen BPOLI ausschlaggebend sein wird.  


Ermittlungen werden von Ermittlungsdiensten durchgeführt, wobei noch offen ist, in welcher Stärke und Ausstattung diese vor Ort tatsächlich sein werden. Ggf. notwendige Sofortentscheidungen z.B. über Fahndungsmaßnahmen oder Ermittlungskoordinationen mit anderen Polizeien werden erheblich erschwert. Der Verweis auf moderne Kommunikationsmittel verschweigt, was wirklich notwendig ist: Die jahrelange Erfahrung der Beamten vor Ort, die alle Aspekte berücksichtigen können und auch im täglichen Dienst ein Gefühl für Stimmungen und Bedürfnisse der Region haben, Beamte, die Ansprechpartner kennen und Kontakte aufbauen können, um Ermittlungsverfahren zu beschleunigen und zielgerichtet zu führen. Mit der jetzt geplanten Reform droht der viel beschworene „Dienst am Bürger“ zu einer Worthülse zu verkommen.


Für die Abgeordneten der Region ist unverständlich, warum




  • in der zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs,


  • mit der zweithöchsten Kriminalitätsbelastung,


  • dem zweitgrößten Rangierbahnhof der Bundesrepublik,


  • dem größten nahverkehrspolitischen Projekt Europas – S Bahn Rhein Neckar,


  • einem von der DB AG in die höchste Sicherheitsstufe 1 eingestuften Hauptbahnhof  (gleichzusetzen mit Städten wie Berlin, München, Hamburg) und


  • mit zunehmender Bedeutung als Veranstaltungsort für Sport und Kultur etc.,


  • die Bundespolizei ihren länderübergreifenden Standortvorteil für die gesamte Metropolregion in Mannheim zerschlägt und Führungsentscheidungen sowie Ermittlungsarbeit weit entfernt ansiedelt. Die Metropolregion läuft so Gefahr, durch weitere enorme und nicht notwendige Bürokratiehemmnisse und Personalabbau an Entwicklungsgeschwindigkeit und Qualität zu verlieren.

Viel förderlicher wäre – auch aus Sicht der polizeilichen Praxis vor Ort – die Umgliederung der Bundespolizei, der BPOLI Mannheim, in der Metropolregion zu einer schlagkräftigen Polizei durch positive infrastrukturelle und personalwirtschaftliche Maßnahmen.


Erlauben Sie mir, hier einige positive Beispiele der bisherigen Praxis zu nennen:


Ermittlungen wegen Graffitistraftaten werden mittlerweile durch drei Sonderermittlungsgruppen bei der PD Heidelberg, dem PP Mannheim und bei der BPOLI Mannheim eng verzahnt geführt. Hierbei werden regelmäßig Informationen auch mit einer in Darmstadt ansässigen Ermittlungsgruppe Graffiti und dem PP Rheinpfalz in Ludwigshafen ausgetauscht. Die immer wieder auftretenden Täter stammen aus Heidelberg, Mannheim, dem südhessischen Raum und der Vorderpfalz. Täterermittlungen werden hier unkompliziert geführt, u. a. auch deshalb, weil die BPOLI Mannheim im gesamten Raum zuständig ist und für einen guten Austausch sorgen kann.


Bei Eigentumsdelikten – wie etwa durch Banden begangene Taschendiebstahlsdelikte, Aufbruchsserien auf Autotransportwagen oder Buntmetalldiebstähle – ist die gleiche Arbeitsweise und Verzahnung wie bei der Bearbeitung von Graffitidelikten etabliert. Die exponierte Lage Mannheims als Verkehrsknotenpunkt im Süd-Westen zieht auch einen erhöhten Personen- und Güterverkehr nach sich. Ermittlungen und Einsätze werden hier schnell Ländergrenzen überschreitend geführt. Die Stadt Mannheim als Oberzentrum ist Mittelpunkt und Tor für eine Vielzahl von Pendlern und Geschäftsreisenden sowie Waren aus dem gesamten Raum. Hierdurch wird klar, dass bei der künftigen Arbeitsweise die Verwaltung in der Metropolregion nicht „verschlankt“, sondern erheblich aufgebläht und die Polizeiarbeit erschwert wird, denn es müssen weitere Dienststellen beteiligt werden.


Im Bereich der Einsatzabwicklung war die BPOLI Mannheim in mehreren Einsätzen Koordinator und Ansprechpartner für Demonstrationen in Mannheim und Heppenheim oder Mannheim und Ludwigshafen sowie Worms, wo offensive Aufklärung und Begleitung durch nur eine Bundespolizei im Raum organisiert wurde und somit ein störungsfreier An- und Abreiseverkehr für Teilnehmer und Dritte gewährleistet werden konnte.


All dies zeigt, dass sich die Ansiedlung der Bundespolizei in Mannheim bewährt hat und nur mit ihr der „Dienst am Bürger“ in der Metropolregion Rhein-Neckar erfüllt werden kann.  


Erfreulich ist, dass inzwischen offenbar wieder Abstand davon genommen wurde, das Polizeirevier Mannheim der Bundespolizeiinspektion Stuttgart anzugliedern. Aber auch die  mittlerweile diskutierte „Ermittlungskomponente in Mannheim“ ist wenig zielführend, da sie immer die Belange der vorgesetzten BPOLI berücksichtigen muss und nur eingeschränkt eigene Entscheidungen treffen kann. Dienstposten stehen hier in der Verfügungsgewalt des Inspektionsleiters und können – so ist zu befürchten – nach dessen Gusto zugewiesen oder abgezogen werden. Größere Reviere bekommen eine Führung mit Administration. Über die Ermittlungskomponente entscheiden die Aufbaustäbe.


Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sollte deutlich geworden sein, dass die bisherigen Planungen an den Bedürfnissen und Anforderungen der polizeilichen Praxis in der Metropolregion Rhein-Neckar vorbeigehen, da sie eine erfolgreiche Polizeiarbeit zu Gunsten der dort lebenden Bürger und der Wirtschaft zunichte machte.


Bei der schwierigen Situation Mannheims sind eine Führung und starke Ermittlungseinheit vor Ort unbedingt notwendig. An den Zuständigkeitsgrenzen muss auch aus polizeitaktischer Sicht etwas geändert werden. Völlig widersinnig erscheint den Beschäftigten aber die Begrenzung der Zuständigkeit des künftigen BPOLREV Mannheim auf das Land Baden-Württemberg. 


Aus Sicht der Metropolregion wäre eine starke Bundespolizeiinspektion in Mannheim viel zielführender und würde den Bedürfnissen und Anforderungen der Region eher gerecht. Ich appelliere deshalb auch im Namen meiner Kollegen aus der Metropolregion, Lothar Binding, Klaus Hagemann, Christine Lambrecht und Prof. Gert Weisskirchen, mit allem  Nachdruck an Sie, den Standort Mannheim zu sichern. Eine starke Bundespolizei in der Rhein-Neckar-Metropole war nach allen Erfahrungen der beste Garant für eine erfolgreiche Sicherheitspartnerschaft in der Region. 


Mit Dank für Ihr Verständnis und freundlichem Gruß


Lothar Mark 


 



 

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