Sehr geehrter Herr Bundesminister, lieber Sigmar,
angeregt durch einen aktuellen Fall aus meinem Wahlkreis wende ich mich in einer Angele-genheit an Dich, die mich seit längerem beschäftigt.
Es handelt sich dabei um das Mannheimer Traditionsunternehmen Josef Vögele, dessen Um-zug auf die „grüne Wiese“ nach Ludwigshafen kürzlich für großen Unmut in der Bevölke-rung, aber auch in der Lokalpresse gesorgt hat. Auf Grund der guten Auftragslage im Export-geschäft und des akuten Platzmangels am aktuellen Standort hatte man es seitens der Firma als unumgänglich angesehen, auch räumlich zu expandieren. Da dies am Firmensitz selbst nicht möglich war, suchte man nach möglichen Ausweichflächen. In den Verhandlungen der Stadt Mannheim mit der Firmenleitung bot man dem Unternehmen ein etwa 27ha großes Grundstück an, das damit knapp dreimal so groß war wie der bisherige Standort. Dabei handelte es sich um eine bis dato in großen Teilen von der US-Armee genutzte Konversionsfläche. Das Unternehmen lehnte das Angebot schließlich auf Grund eines zweiten, günstigeren Angebots der benachbarten Stadt Ludwigshafen ab, wo man ihm außer durch einen deutlich niedrigeren Quadratmeterpreis eine Ansiedlung vor allem auch dadurch schmackhaft machte, dass man die schnellstmögliche verkehrstechnische Anbindung des 30ha umfassenden und bis dahin unverbrauchten Ackergrundstückes vertraglich zusicherte - ein umweltpolitischer Irrsinn, wie ich finde!
Dieser Vorgang stellt bei weitem keinen Einzelfall dar, wie die mittlerweile zahlreichen Shop-ping malls oder Firmenansiedlungen auf der „grünen Wiese“ allerorten beweisen - eine Ge-samtentwicklung, die ich nicht nur aus umweltpolitischen Gesichtspunkten, sondern auch aufgrund der allgemeinen Verpflichtung zur Nachhaltigkeit äußerst kritisch betrachte. Dieser Entwicklung gilt es meines Erachtens in Zukunft Grenzen zu setzen.
Denn trotz nahezu konstanter Bevölkerungszahlen und ungeachtet des sich abzeichnenden demographischen Wandels werden in Deutschland weiter in großem Umfang Flächen für zum Teil fragwürdige Siedlungs- oder Gewerbeprojekte geopfert. Siedlungen und Verkehrswege wachsen ungebremst, Länder und Kommunen planen vielfach am falschen Ort oder in zu gro-ßen Dimensionen. Das von der Bundesregierung angestrebte Ziel, den Landschaftsverbrauch in Deutschland von heute 93ha pro Tag bis zum Jahr 2020 auf 30ha pro Tag zu reduzieren, dürfte bei Beibehaltung der momentanen Flächenausweisungspraxis nicht zu erreichen sein. Vor diesem Hintergrund wäre nach meiner Auffassung die Einführung flächenpolitisch begründeter ökonomischer Anreize zu erwägen. Als besonders interessant erscheint mir dabei der bereits mehrfach von deutschen Naturschutzverbänden und dem Umweltbundesamt un-terbreitete Vorschlag, den Landschaftsverbrauch mittels eines Handels mit Flächenauswei-sungskontingenten, bzw. –zertifikaten nach dem Vorbild des bereits bestehenden Handels mit CO2-Emissionen zu begrenzen. Dieser wäre vermutlich dazu geeignet, das Ausweisungsver-halten der Kommunen unmittelbar im Sinne des Flächensparens und damit im Sinne der Ziel-vorgaben der Bundesregierung zu beeinflussen. Er sollte sich nach Möglichkeit in erster Linie innerhalb der Grenzen bereits geplanter Siedlungs- und Verkehrsflächen abspielen und könnte sich in einem ersten Schritt lediglich auf Gewerbe- und Industrieflächen sowie die zu deren Erschließung notwendigen Verkehrswege beschränken. In weiteren Schritten wäre dann aber auch eine Ausdehnung auf neu geplante Verkehrsflächen für den Individualverkehr oder auf den allgemeinen Siedlungsbau zu prüfen. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, wäre es in diesem Zusammenhang sicher sinnvoll, wie auch beim CO2-Emissionshandel eine euro-paweit geltende Lösung zu finden.
Gleichzeitig sollten dagegen Konversionsflächen oder innerstädtische Brachen von dieser Kontingentierung ausgenommen werden, da es sich hierbei in der Regel nicht um neu ausge-wiesenes Bauland handelt. Die bereits zuvor genutzten Flächen würden dadurch an finanziel-ler Attraktivität gewinnen und könnten zugleich das weitere Ausufern der Städte in das Um-land bremsen.
Ein Eingreifen des Bundes erscheint mir dringend erforderlich, da jede weitere Untätigkeit auf diesem Gebiet das angestrebte Ziel einer Reduzierung der Netto-Neuinanspruchnahme von Flächen in unerreichbare Ferne rücken würde. Die hier skizzierten Maßnahmen wären dafür ein probates Mittel.
Für eine wohlwollende Prüfung meiner Vorschläge wäre ich Dir sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar
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