Grußwort von Lothar Mark zu den Feierlichkeiten am Tag der Deutschen Einheit am Deutschen Brunnen in Buenos Aires
am 3. Oktober 2008:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr verehrter Herr Botschafter, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler,
heute feiern die Deutschen feiern wir Deutsche weltweit zum 18. Mal den Tag der Deutschen Einheit.
Am 3. Oktober 1990 nahm eine über 40 Jahre lange unmenschliche Trennung der Deutschen ihr Ende. In einer friedlichen Revolution gelang es den Menschen in Ostdeutschland, die autoritäre Herrschaft abzuschütteln und Freiheit und Demokratie für sich zu erstreiten. Den Fall der Mauer 1989 und damit die Wiedervereinigung verdanken wir vor allem dem Ende des Kalten Krieges und der Perestroika von Michail Gorbatschow.
Dieser Prozess wäre aber auch ohne den Freiheitswillen sowie den Mut der Menschen, aber auch der Solidarität unter den Menschen in Mittel- und Osteuropa, die Unterstützung und Hilfe der Partner und Verbündeten in Europa und der Welt nicht möglich gewesen. Partnerschaft, Vertrauen und Unterstützung ermöglichten es den Deutschen, ihre historische Chance zu ergreifen und nach langen Jahren der Teilung wieder zusammenzufinden. Gleichzeitig bildeten diese Werte den Ausgangspunkt für die spätere Erweiterung der Europäischen Union auf heute 27 Mitgliedsstaaten. Die deutsche Einheit muss somit immer auch im Kontext und als Errungenschaft des gesamteuropäischen Integrationsprozesses gesehen werden.
Uns allen muss bewusst sein, dass dieser soziale, wirtschaftliche, kulturelle und psychologische Einigungsprozess eine epochale Aufgabe für die deutsche und europäische Politik ist und bleibt. Die Annäherung der Menschen in Ost- und Westdeutschland, aber auch die Integration der (ost)europäischen Staaten in die Europäische Union waren und sind von Höhen und Tiefen geprägt. Phasen des Fortschritts und des Erfolges werden von Rückschlägen und Zeiten der Stagnation abgelöst, Konsens und Kompromisse müssen immer wieder neu verhandelt und erarbeitet werden. Nicht immer finden sich die Menschen in den politischen Entwicklungen und Entscheidungen der deutschen und europäischen Einigung wieder. Und trotzdem bleiben alle aufgefordert, die gemeinsame Zukunft aktiv mit zu gestalten.
Nur auf der Basis einer verständnisvollen Zusammenarbeit kann eine politische Gemeinschaft wie die Europäische Union weiter wachsen und den Herausforderungen der Globalisierung durch soziale Ungleichheit, Migration und Klimawandel begegnen.
Dem Gedanken der Einheit und den damit verbundenen Werten kommt in der heutigen Welt eine besondere Bedeutung zu. Auch die lateinamerikanischen Staaten sind in einer zunehmend globalisierten Welt nur gemeinsam stark.
Als Deutscher und Europäer beobachte ich die vielfältigen Ansätze und Einigungsbestrebungen der südamerikanischen Staaten mit großem Interesse und besonderer Sympathie. Vor allem Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay – und wohl bald auch Venezuela – haben sich mit dem Bündnis MERCOSUR einen ökonomischen und politischen Zusammenschluss geschaffen, der als Staatengemeinschaft ein großes Potenzial enthält. Dieses kann aber nur genutzt werden, wenn die begonnene Zusammenarbeit noch entschlossener fortgesetzt und sichtbare Ergebnisse erzielen, die den MERCOSUR wiederum in der globalisierten Welt zukunftsfähig machen.
Ich halte es für symbolträchtig, dass heute am 3. Oktober ein kleiner, aber durchaus vielversprechender Schritt auf dem Weg zu einer Vertiefung des MERCOSUR-Bündnisses unternommen wird: Die Einführung des Systems zur Zahlung in lokaler Währung (SML) zwischen Argentinien und Brasilien, mit denen beide Länder ihren bilateralen Handel fortan nur noch auf Basis der Landeswährungen abwickeln wollen. Diese Entwicklung ist für mich ein Zeichen, dass die MERCOSUR-Staaten weiter auf dem Weg der Einigung voranschreiten können, wenn der politische Wille dafür in allen Mitgliedsstaaten vorhanden ist.
Deutschland und Europa freuen sich auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit einem starken MERCOSUR-Bündnis. Deswegen ist ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und dem MERCOSUR nach wie vor ein wichtiges Projekt. Darüber sollten wir uns verständigen und alles dafür tun, damit es endlich abgeschlossen werden kann. So wie Deutschland in der Geschichte des europäischen Zusammenwachsens – zusammen mit Frankreich – oft eine treibende Kraft war, kann auch Argentinien die Integration und Kooperation des MERCOSUR konstruktiv voran bringen.
Ich betrachte die Feiern aus Anlass des diesjährigen Tages der Deutschen Einheit hier in Buenos Aires daher nicht nur als einen Feiertag für Deutschland, sondern auch als einen Tag der Freundschaft und Partnerschaft zwischen den Menschen in Argentinien und Deutschland.
Ich wünsche Ihnen allen einen gelungenen Feiertag und für die Zukunft alles Gute!
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