Vor dem Hintergrund zunehmender Klagen der Bürgerinnen und Bürger über die „Gesetzes- und Regelungswut“ der deutschen Verwaltung hat sich der Mannheimer Bundestagsabgeordnete Lothar Mark an Bundeskanzler Gerhard Schröder und verschiedene Ministerien gewandt. Er bat den Kanzler, ihm mitzuteilen, welche Fortschritte es seit Regierungsübernahme 1998 bei dem damals angekündigten Bürokratieabbau gegeben hat. Ist die Gesetzes- und Regelungswut vielleicht sogar viel schlimmer als bisher vermutet, oder kann die Bundesregierung schon wesentliche Erfolge verzeichnen?
Ein reger Austausch mit dem Bundesministerium des Innern und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement brachte Licht ins Dunkel: Die „Initiative Bürokratieabbau“ habe, so die Bundesregierung, bereits erheblich dazu beigetragen, Bürger und Unternehmen von Verwaltungsballast zu befreien - die deutsche Bürokratie werde zusehends schlanker: Rund 14 Projekte der im Juli vergangenen Jahres vom Kabinett beschlossenen „Initiative Bürokratieabbau“ seien bereits abgeschlossen, rund vierzig Prozent der insgesamt 74 Projekte würden noch in diesem Jahr umgesetzt, alle übrigen in den beiden Folgejahren.
Die „Initiative Bürokratieabbau“ konzentriert sich auf die fünf für die sozial- und wirtschaftspolitische Reformpolitik Deutschlands wichtigsten Handlungsfelder Arbeitsmarkt und Selbständigkeit, Wirtschaft und Mittelstand, Forschung, Technologie und Innovation, Zivilgesellschaft und Ehrenamt sowie Dienstleistungen und Bürgerservice und setzt vor allem darauf, geltendes Recht zu vereinfachen und überflüssige Regelungen abzuschaffen.
Nach Angaben des Bundesministeriums des Innern hat dieses gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium im Rahmen des Projekts „Bereinigung des Bundesrechts“ bereits über 200 Gesetze und Rechtsverordnungen identifiziert, die gestrichen werden können. Noch in diesem Jahr soll der Deutsche Bundestag über die Aufhebung dieser Vorschriften beraten. Mit Kabinettbeschluss vom 7. Juli 2004 haben sich alle Ressorts zur Umsetzung eines mehrstufigen Verfahrens für eine flächendeckende Rechtsbereinigung verpflichtet, einschließlich einer ersten formalen Rechtsbereinigung bis 2005.
Die Bundesregierung weist zudem darauf hin, dass im Bereich Arbeitsmarkt und Selbständigkeit seit Januar dieses Jahres die Reform des Handwerkrechts gelte, die den Meisterzwang auf 41 Handwerke beschränkt; die übrigen 53 Handwerke seien nun zulassungsfrei. Die sog. kleine Handwerksrechtsnovelle erleichtere außerdem erfahrenen Gesellen in zulassungspflichtigen Handwerken den Schritt in die Selbständigkeit. Zudem müssten zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen durch die Anhebung der Buchführungsgrenzen für Unternehmer nicht mehr wie bisher Buch führen, sondern könnten ihren Gewinn durch die kürzlich standardisierte Einnahmenüberschussrechnung ermitteln. Im Mai dieses Jahres habe das Bundeskabinett außerdem beschlossen, das Gaststättenrecht zu liberalisieren. Dabei entfallen bestimmte Konzessionspflichten und werden durch einfache Anzeigeverfahren ersetzt, in anderen Fällen kann auf eine Gaststättenerlaubnis ganz verzichtet werden.
Im Bereich Wirtschaft und Mittelstand, so Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, sei seit Mai 2004 das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz in Kraft, welches zwei bislang getrennt erfasste Sachverhalte nun in einem Gesetz regelt und somit Doppelprüfungen vermeidet. Weiterhin solle der staatliche und berufsgenossenschaftliche Vollzug im Arbeitsschutz zusammen geführt werden. Zudem würden die Unternehmen von verschiedenen statistischen Meldepflichten entlastet, beispielsweise durch die Einstellung von Erhebungsmerkmalen, die Verlängerung der Periodizität (z. B. jährliche statt monatliche Meldung) und elektronische Meldeverfahren.
Außerdem werde, so Clement, die berufliche Bildung reformiert, indem die Verfahren zur Neuordnung und Modernisierung von Ausbildungsberufen vereinfacht und beschleunigt würden. Beseitigt werden sollen auch die mit der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure verbundenen bürokratischen Belastungen.
Zusätzlich entwickelt die „Initiative Bürokratieabbau“ flankierende Maßnahmen für eine bessere Gesetzgebung, um schon im Vorfeld bürokratischen Aufwand einzudämmen. So werden die Methoden zur Gesetzesfolgenabschätzung verfeinert und Indikatoren zur Messung von Bürokratie erarbeitet. Die Erfahrungen aus der Praxis fließen in eine vom Bundesministerium des Innern erarbeitete Arbeitshilfe zur Gesetzesfolgenabschätzung ein, die 2005 in allen Ressorts angewendet werden soll. Zudem setzt sich die Bundesregierung, so Bundesminister Clement, gemeinsam mit anderen Staaten auf EU-Ebene für eine Vereinfachung des europäischen Rechts ein.
Lothar Mark: „Offenbar ist mehr erreicht worden, als bis jetzt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Trotz der bisherigen Erfolge bleibt für mich Ziel, Wirtschaft und Bürger mit konsequenten Maßnahmen noch stärker zu entlasten. Die Befreiung von unnötiger Bürokratie ist nicht nur ein Dienst am Bürger, sondern stärkt auch die Wettbewerbsfähigkeit und trägt zu Wachstum und Beschäftigung bei.“
Berlin, 08.09.2004
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