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04.12.2008
Persönliche Erklärung von Lothar Mark und weiteren SPD-Abgeordneten zum Maßnahmenpaket BESCHÄFTIGUNGSSICHERUNG DURCH WACHSTUMSSTÄRKUNG
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Lesen Sie im Folgenden die "Persönliche Erklärung nach § 31 Geschäftsordnung des Bundestages zur Abstimmung über den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung" (Drs. 16/10930)



In Anbetracht der weltweiten Rezession müssen alle politischen Ebenen rasch, gezielt und kraftvoll handeln, um die Wirtschafts- und Finanzkreisläufe in Gang zu halten, die Wachstumskräfte zu stärken und Beschäftigung zu sichern.

Daher haben Bundesregierung und Parlament weitreichende Mittel und Instrumente zur Stabilisierung der Finanzmärkte durchgesetzt (500-Mrd.-Programm). Nunmehr geht es um das Maßnahmenpaket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ und seine steuerlichen Komponenten.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner stimmen diesen Gesetzen als wichtigen ersten Schritten zur Krisenbekämpfung zu.

Angesichts der Dimensionen der beginnenden Weltwirtschaftskrise und ihrer Ursachen, angesichts des wegbrechenden deutschen Exports und der anhaltenden binnenwirtschaftlichen Nachfrageschwäche reichen die bisherigen Schritte bei weitem nicht aus. Wenn nicht massiv gegengesteuert wird, drohen anhaltende Stagnation, Massenarbeitslosigkeit und Deflation.

Die Folgen für die Einkommensentwicklung breiter Bevölkerungsschichten, für sämtliche öffentlichen Haushalte einschließlich der Sozialversicherungen sowie für die Zukunftschancen unserer Gesellschaft und Wirtschaft wären dramatisch.

Deshalb brauchen wir einen europaweit abgestimmten und verstärkten Investitions- und Konjunkturpakt von Bund, Ländern und Kommunen. Da für deren Handlungsfähigkeit große finanzielle Ressourcen notwendig sind, wäre eine dauerhaft wirkende Absenkung der Steuerquote kontraproduktiv. Wir plädieren jedoch dringend für eine Umschichtung der Steuerlasten.

Der Rezession muss also schnell, gezielt und massiv auf zwei Wegen begegnet werden: 


 Sowohl zur möglichst wirksamen Stärkung der Binnennachfrage als auch aus Gründen sozialer Gerechtigkeit brauchen wir eine gezielte Stützung der unteren und mittleren Einkommen, um in dieser Krise der bereits in den letzten Jahren registrierten zunehmenden Kluft der Einkommens- und Vermögensverteilung entgegenzuwirken. 


 Wir brauchen ein umfassendes, auf 10 Jahre angelegtes und schnell wirksames Programm zur massiven Ausweitung der öffentlichen und privaten Investitionen mit einem Volumen von rund 2 % des Bruttoinlandsprodukts, also ca. 50 Mrd. € im ersten Jahr. 


Eine Gesamtstrategie, die auch die Ursachen der Krise korrigiert, muss – um wirksam zu sein – folgende Maßnahmen umfassen: 


 Neujustierung der Progression der Einkommenssteuer.


Die unteren und mittleren Einkommen müssen von der kalten Progression entlastet und der steuerliche Grundfreibetrag muss angehoben werden. Höchste Einkommen hingegen müssen stärker belastet werden. Dazu bedarf es der Anhebung des Spitzensteuersatzes und einer Wiedereinführung der ausgesetzten Vermögenssteuer, einer europaweiten Harmonisierung der Kapital- und Unternehmenssteuern einschließlich der Börsenumsatzsteuer, Mindeststeuersätze in diesem Bereich sowie einer konsequenten Beseitigung der Steueroasen.



  Ermäßigte Mehrwertsteuer auf Arzneimittel.


  Die zügige Einführung des gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlohns.


  Eine expansive Lohnpolitik.


  Flankierende Maßnahmen für Menschen in prekären Lebensverhältnissen wie z. B. Prävention und ein Aktionsplan gegen Überschuldung.


 Anhebung der Hartz IV-Regelsätze einschließlich eines eigenständigen Regelsatzes für Kinder. 


Investitionen sind entscheidend für Standortqualität und Zukunftsfähigkeit. Mit nur 4,3 % Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt lag Deutschland im Jahre 2004 auf dem viertletzten Platz der EU-27-Länder und bei den Infrastrukturinvestitionen mit nur 1,6 % auf dem zweitletzten Platz. Die deutschen Ausgaben liegen um einen Prozentpunkt unter dem EU-Schnitt von 2,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Dieser andauernde Entzug von öffentlichen Mitteln hat bereits zu einem erheblichen und schleichenden Verfall der Substanz unserer Verkehrsinfrastruktur, bei den öffentlichen Gebäuden und Plätzen, im Bildungssystem und im Gesundheitsbereich geführt, von Modernisierungsdefiziten ganz zu schweigen. 


Insbesondere folgende Initiativen sollen verstärkt werden: 


 Die Politik des Energiesparens und der Hebung der Energieeffizienz muss mit Nachdruck fortgesetzt werden. Dabei sind besonders Energiesparmaßnahmen im Bereich der Raumwärme bei privaten Wohngebäuden und öffentlichen Gebäuden zu fördern. Neben der Wirkung auf die Energieeinsparung sind zusätzlich schon kurzfristig erhebliche Beschäftigungseffekte zu erwarten (ca. 600 000 Vollzeitarbeitsplätze). Der absehbare Investitionsbedarf liegt in den nächsten 10 Jahren bei etwa 35 Mrd. Euro. 


 Im Verkehrsbereich liegen die Investitionsbedarfe seit langem auf dem Tisch, wie ein Blick auf den Bundesverkehrswegeplan zeigt. Besonderes Augenmerk ist auf die Defizite bei der Bahninfrastruktur zu legen, die letztlich nur durch zusätzliche Bundesmittel gedeckt werden können. 


 Im Bereich der Bildung, Forschung und Technologieförderung muss der Rückstand zum europäischen Durchschnitt aufgeholt werden. 


 Flächendeckendes und gebührenfreies Angebot an Ganztagesbetreuung und Ganztagsschulen. 


 Der Investitionsstau im Gesundheitswesen insbesondere bei den Krankenhäusern muss aufgelöst werden. Dazu brauchen wir eine neue nachhaltige Finanzierungsstruktur. 


 Durch Städtebauförderungsmaßnahmen sind die Kommunen, gestaffelt nach ihrer Finanzsituation, bei der Aufgabe der Stadtsanierung und -erhaltung zu unterstützen. Zinsverbilligungen sind nicht ausreichend. Insbesondere Programme zur altersgerechten Wohnraumgestaltung entlasten nicht zuletzt auch die Sozialkassen. 


Außerdem sind alle weiteren Privatisierungsvorhaben auf allen politischen Ebenen zu stoppen; dies gilt insbesondere für jegliche Anteilsverkäufe von Telekom, Post inklusive Postbank und Bahn wie für alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge in Kommunen und Ländern. Verkäufe unter Wert, die Sozialisierung von Verlusten und Privatisierung von Gewinnen sind derzeit weniger vertretbar denn je. 


Im Übrigen werden wir darauf achten, dass die EU und die Bundesregierung alle angekündigten Maßnahmen zur Kontrolle und Regulierung der Finanzmärkte, wie sie etwa auf Ebene der G-20 vereinbart wurden, zügig und vollständig umsetzen. 


Insgesamt fordern wir die Bundesregierung auf, ihre Gesamtstrategie zu erweitern und ein umfassendes Konzept aus den genannten wirtschafts-, arbeits-, und sozialpolitischen Zusammenhängen zu erarbeiten und umzusetzen. Umfang und Geschwindigkeit dieses Konzepts müssen der Dimension der Krise entsprechen: Denn je zaghafter wir sind und je länger wir warten, desto schwieriger und teurer gestalten sich die Maßnahmen.


 


Dr. Lale Akgün


Klaus Barthel


Clemens Bollen


Willi Brase


Angelika Graf 


Wolfgang Gunkel


Dr. Reinhold Hemker


Christian Kleiminger


Rolf Kramer


Lothar Mark


Hilde Mattheis


Andrea Nahles


René Röspel


Ottmar Schreiner


Swen Schulz


Christoph Strässer, Andreas Steppuhn, Jella Teuchner, Rüdiger Veit, Waltraud Wolff



 

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