von Johanna Eberhardt
Mannheim - Jahrzehntelang war Mannheim eine sichere Bank für die Sozialdemokraten. Die Stadt war geradezu die klassische "rote Hochburg" im Land. Das galt in der Weimarer Republik und hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg nahtlos fortgesetzt. Mit einer Ausnahme hat die SPD im Wahlkreis des legendären Carlo Schmid seit 1949 wie selbstverständlich immer das Direktmandat gewonnen.
Am vergangenen Sonntag hat es für ihren Kandidaten Stefan Rebmann (47), den DGB-Kreisvorsitzenden aus der Nachbarstadt Schwetzingen, nicht einmal über die Landesliste gereicht. Im nächsten Bundestag werden vier Mannheimer Abgeordnete vertreten sein. Sie kommen von der CDU, der FDP, den Grünen und der Linken; nur die SPD ist leer ausgegangen.
"Alle sind drin außer uns. Das ist besonders bitter. Das ist einer der schwersten Einschnitte in der Nachkriegsgeschichte der Partei in Mannheim", erklärt die Landtagsabgeordnete Helen Heberer. "Das schmerzt, das tut richtig weh", gesteht Kandidat Stefan Rebmann, der mit 30,2 Prozent der Stimmen recht klar hinter seinem CDU-Mitbewerber Egon Jüttner (67) mit 36,5 Prozent geblieben ist.
Das Unheil hat angeblich niemand kommen sehen
Nur vier von 17 Stadtteilen konnte er für sich verbuchen. Bei den Zweitstimmen hat die SPD 12,4 Prozent eingebüßt. Doch angeblich hat niemand in der Partei das Unheil kommen sehen. "Es hat uns kalt erwischt", sagt ihr Vorsitzender Wolfgang Katzmarek am Tag nach der Wahl und zeigt sich überzeugt: "So wie wir jetzt abgestürzt sind, war das nicht vorhersehbar; mit diesem Stimmenverlust hat keiner im Kreisvorstand gerechnet." Natürlich habe man gewusst, dass die Partei "nicht auf dem Siegesweg nach oben" gewesen sei. Man habe an den Infoständen deutlich genug gemerkt, dass die Bürger unzufrieden seien und das Vertrauen in die SPD verloren hätten. "Aber wir haben uns doch unabhängig vom Bundestrend erhofft, dass wir das Mandat in Mannheim wieder holen."
Für die Stadt selbst, davon ist OB Peter Kurz (SPD) überzeugt, werde sich der Verlust des SPD-Mandats nicht entscheidend auswirken. "Mit vier Abgeordneten sind wir ja in Berlin breit vertreten", stellt er fest. "Aber für die Partei ist der Verlust gravierend. Man muss sehen: so eine Konstellation gab es noch nie." Kurz selbst bekam im vergangenen Jahr bei der OB-Wahl im ersten Anlauf mehr als 50 Prozent der Stimmen. Auch bei der Kommunalwahl im Juni schnitt die SPD ordentlich ab und wurde wieder die größte Fraktion im Rat. Das zeigt, dass die Partei in Mannheim durchaus noch gewinnen kann.
Was lief bei der Bundestagswahl falsch? "Die Welt ist in drei Monaten ja keine ganz andere geworden, da wird sicher noch einiges zu analysieren sein", meint der OB. Einiges spricht dafür, dass die Genossen vor Ort aber auch im Landesvorstand einen Sieg in Mannheim nach all den Jahren für gegeben hielten, zumal die zerstrittene CDU mit ihrem Ehrenvorsitzenden Jüttner einen ausgesprochen zurückhaltend agierenden Kandidaten aufgeboten hatte, den manche schon auf dem Altenteil wähnten.
Es war klar, dass es nicht leicht werden würde
Dabei hätte klar sein müssen, dass es für die SPD nach dem Abgang des langjährigen Abgeordneten Lothar Mark nicht ganz leicht werden würde. Dreimal hatte der ehemalige Kulturbürgermeister der Stadt das Direktmandat gewonnen, ehe er mit seiner Partei - und sie mit ihm - zunehmend über Kreuz geraten war. Dennoch hatte sie Mark im November 2008 einstimmig nominiert. Nur einen Monat später hatte er überraschend einen Rückzieher gemacht und die Partei in Personalnot gestürzt.
Im Januar hatte der Kreisvorstand dann mit ausdrücklicher Unterstützung der Landesvorsitzenden Ute Vogt und des Landesvorstands des DGB den Schwetzinger Rebmann präsentiert. Der war zuvor schon in seinem Heimatwahlkreis nominiert worden, rechnete sich aber in Mannheim die größeren Chancen aus, was nicht allen in der Partei gefallen hat. Dazu kam, dass sich auch der Mannheimer Stadtrat und Vorsitzende des Arbeitersamariterbunds Roland Weiß für den Posten interessierte, dann aber nach einigem Hin und Her doch nicht gegen den offiziellen Bewerber antrat.
Entsprechend zurückhaltend fiel nun in einigen Ortsvereinen das Engagement im Wahlkampf aus. Rebmann selbst, der Mann von außen, wurde trotz vieler fleißiger Wahlauftritte kaum bekannt, blieb für viele ohne besonderes Profil. "Die SPD war nicht kampagnenfähig", kritisierte der bisherige Abgeordnete Mark. Überall in der Stadt hätten Jüttner-Plakate gehangen, "von uns habe ich in einigen Stadtteilen kaum welche gesehen".
Die Stimmen der eigenen Leute haben gefehlt
Andere SPDler beklagten im Nachhinein, man hätte mit den Grünen eine landesweite Erstimmenaktion machen müssen - etwa indem die SPD in Stuttgart Cem Özdemir und die Grünen in Mannheim Rebmann unterstützten. Dies sei, hört man auch bei den Grünen, an Ute Vogt gescheitert. "Dabei hätte man mit einem solchen Deal nicht nur das Mannheimer, sondern auch das eine oder andere Direktmandat für die SPD retten können."
Doch Rebmann fehlten am Sonntag nicht nur die Stimmen der Grünen, sondern auch die der eigenen Leute. Auffällig viele Wahlzettel, hört man aus dem Rathaus, hätten zwar ein Kreuz bei der SPD gehabt - der Kreis für den Kandidaten aber sei leer gewesen.
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