Die Direktmandate im Land könnten bei der Bundestagswahl Zünglein an der Waage sein. Der Wahlkampf um die Erststimmen wird härter.
EDGAR NEUMANN, DPA
Stuttgart Wenige Tage vor der Bundestagswahl haben die Parteien ihren Schlagabtausch im Südwesten massiv verschärft. Hauptgrund sind nicht etwa programmatische Unterschiede - sondern der erbitterte Kampf um einzelne Direktmandate. Die überwiegende Zahl der Wahlkreise im Südwesten ist seit Jahrzehnten fest in CDU-Hand. Bei der Wahl am Sonntag könnte sogar die absurde Situation entstehen, dass die Christdemokraten eins ihrer schwächsten Zweitstimmenergebnisse einfahren - und trotzdem fast alle Direktmandate gewinnen. Die entstehenden Überhangmandate könnten unter Umständen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Wahlsieg verhelfen und einer Koalition mit der FDP den Weg bereiten.
Die im Südwesten traditionell schwache SPD fürchtet gleichzeitig um ihre letzten Hochburgen im Land. Vor vier Jahren hatte die Partei noch vier der damals 37 Wahlkreise gewonnen. 2002 waren es sieben und 1998 - beim Wahlsieg von Rot-Grün - sogar elf. Mittlerweile legen sich die Sozialdemokraten sogar mit ihren Wunsch-Bündnispartnern, den Grünen, an. Die Ökopartei ist durch den Erfolg bei Europa- und Kommunalwahl im Juni selbstbewusster geworden. Ihre Bewerber peilen in einigen Wahlkreisen selbst Direktmandate an und sehen es nicht ein, klein beizugeben.
In Stuttgart ringen SPD-Landeschefin Ute Vogt und der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir im Wahlkreis Stuttgart I um die Wählergunst. Der "türkische Schwabe" wittert Morgenluft, seit seine Partei bei der Kommunalwahl stärkste Fraktion im Gemeinderat wurde. Auch in der heimlichen Ökohauptstadt Freiburg empfiehlt die Spitzenkandidatin der Südwest-Grünen, Kerstin Andreae, nicht mehr wie bei früheren Wahlen, die Erststimme dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), zu geben. Andreae, die 2005 nur 11 Prozent geholt hatte, will nun selbst die Mehrheit im Wahlkreis gewinnen.
Aber auch in anderen einst sicheren SPD-Wahlkreisen zittern die Genossen. Bei der Bundestagswahl 1994 war überraschend der Wahlkreis Mannheim an die Christdemokraten gegangen. In diesem Jahr tritt erstmals der Gewerkschafter Stefan Rebmann in der "roten Hochburg" Mannheim an. Seine Wahlchancen sind noch nicht absehbar. Sein Vorgänger, der langjährige Stimmenkönig Lothar Mark hatte 2005 den Wahlkreis klar mit 45,9 Prozent der Erststimmen und einem Abstand von 8,5 Punkten zur CDU geholt.
Doch die Strategen in der Südwest-CDU setzen darauf, dass die Linke der SPD so viele Stimmen abjagt, dass ihre Bastion fällt. Die Genossen verweisen im Gegenzug darauf, dass die Mannheimer CDU seit Jahren tief zerstritten ist und ihr Kandidat Egon Jüttner kaum Unterstützung durch die Bundesprominenz bekommt.
Auch im Wahlkreis Lörrach-Müllheim könnte es für die SPD eng werden. Marion Caspers-Merk, die einstige Spitzenkandidatin auf der Landesliste, tritt nicht mehr an. Nun kandidiert die Verwaltungswissenschaftlerin Jana Zirra.
Während sich SPD und Grüne im Kampf um die Wahlkreise in den Haaren liegen, hat die Südwest-CDU keine Skrupel wegen der Überhangmandate. Der Landesvorsitzende Günther Oettinger verweist darauf, dass die SPD mit Kanzlerkandidat Gerhard Schröder schließlich 1998 selbst 13 Überhangmandate geholt hatte: "Die Sozialdemokraten sind bei diesem Thema nicht sehr glaubwürdig", sagt Oettinger.
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