MANNHEIM. Eine der letzten SPD-Bastionen im konservativen Baden-Württemberg ist Mannheim. Doch sie könnte fallen, wenn sich die jüngsten Umfragen bei der Bundestagswahl bestätigen.
Die alte Industrie- und Arbeiterstadt Mannheim befindet sich im Wandel. Das bekommt auch die SPD zu spüren. | Foto: Visum Das Jackett hat er ausgezogen, die Ärmel hochgekrempelt. "A la hopp", sagt Stefan Rebmann (47) und legt los. Mit kurzpfälzischem Einschlag und hemdsärmliger Art wirbt er beim Seniorenfrühstück in der Freizeitstätte Bürgerverein Vogelstang für Mindestlohn, Bürgerversicherung und dafür, dass auch "Malocher" in den Bundestag gehören. "Nur Kreissaal, Hörsaal, Plenarsaal kann’s nicht sein." Das in großer Zahl erschienene, vornehmlich betagte Publikum applaudiert – besonders laut, als sich der Mannheimer SPD-Bundestagskandidat gegen die Rente mit 67 und damit gegen seinen Parteichef Franz Müntefering stellt.
Mannheim – in der zweitgrößten Stadt im Land stellen die Genossen den Oberbürgermeister. Sie haben bei der Landtagswahl 2006 das einzige SPD-Direktmandat und bei der Bundestagswahl zuvor eines von nur vier SPD-Direktmandaten im Südwesten geholt. Dreimal in Folge hat ihr Bundestagsabgeordner Lothar Mark, der altershalber nicht mehr antritt, das landesweit beste Erststimmenergebnis für die Genossen eingefahren. 2005 kam er auf fast 46 Prozent.
Nun soll Stefan Rebmann, der in jungen Jahren im Dreischichtbetrieb gearbeitet hat und seit 2004 den Deutschen Gewerkschaftsbund in der Region Rhein-Neckar leitet, das rote Erbe im schwarzen Südwesten wahren. Die Landespartei hat ihm Listenplatz 17 gegeben, damit wäre er auch im Bundestag, wenn die SPD in Baden-Württemberg bei den Zweitstimmen auf 23 Prozent käme.
Die Krise ist großes Thema, die Arbeitslosenquote hoch
Das könnte indes knapp werden, und nicht nur deshalb setzt der Wahlkämpfer auf das Direktmandat. Rebmann ist guter Dinge. Er weiß aber auch, dass es diesmal schwer wird. Das liegt weniger am CDU-Kandidaten Egon Jüttner. Der war zwar Stimmenkönig bei der Gemeinderatswahl und bereits mehrfach im Bundestag. Mit seinen 67 Jahren gilt er aber selbst innerhalb der tief zerstrittenen Mannheimer CDU nicht als zukunftsweisender Kandidat. Doch wenn sich die jüngsten Umfragen bestätigen, die die SPD in Baden-Württemberg im Schnitt zwölf Prozentpunkte hinter der CDU ansiedelt, könnten sogar SPD-Hochburgen fallen.
Dass die Partei selbst in Mannheim nicht automatisch gewinnt, musste die SPD 1994 erfahren: Ihr Bewerber war wegen einer Erkrankung in der entscheidenden Wahlkampfphase nicht präsent – und das Direktmandat ging an die CDU. Doch das ist die absolute Ausnahme in der traditionsreichen roten Hochburg, die bis 1933 Sitz des badischen SPD-Landesverbands gewesen ist und der Staatsrechtler Carlo Schmid lange im Bundestag vertreten hat – einer der wohl beeindruckendsten Männer der Nachkriegssozialdemokratie.
Die historische Stärke der SPD ist auch Ausweis der Sozialstruktur einer Stadt, der im Badnerlied eine bezeichnende Zeile gewidmet ist: "In Mannheim steht die Fabrik." Die Wirtschaftskrise und die Folgen sind hier im Wahlkampf stärker Thema als andernorts. Die Arbeitslosenquote ist die höchste im Südwesten, im August lag sie bei 7,3 Prozent. 626 Betriebe mit 23 000 Beschäftigten arbeiten kurz, 28 000 Menschen beziehen Hartz IV.
Trotzdem verliert das alte Bild der Industrie- und Arbeiterstadt an Schärfe. Mannheim befindet sich im Wandel, will Dienstleistungsmetropole, Popmusik- und Universitätsstadt sein. Den Wandel kann der Betriebsratschef des Medizinkonzerns Roche Mannheim, Wolfgang Katzmarek, auch an der Zusammensetzung der eigenen Belegschaft ablesen: 2000 der 7500 Beschäftigten sind noch "klassische Arbeiter", genauso viele aber Akademiker, die Mehrheit Angestellte. Eine Ausbildung haben alle. "Wie die Stadt ist auch die alte Arbeiterpartei SPD im Wandel", sagt der 56-Jährige. Außer der klassischen Klientel versucht sie, kleine Handwerker und Jungwähler anzusprechen. Mit Peter Kurz stellt sie einen Oberbürgermeister, der auch im bürgerlichen Lager auf breite Akzeptanz stößt.
Gleichzeitig haben die Mannheimer Genossen die Beziehungen zu den Gewerkschaften auch in den schwierigen Schröder-Agenda-Jahren nie abreißen lassen. So führt Betriebsratschef Katzmarek den SPD-Kreisverband, der mit Rebmann einen DGB-Mann in den Bundestag schicken will. Dass die Partei trotz der schwieriger gewordenen Rahmenbedingungen bislang in Mannheim so erfolgreich ist, führt Katzmarek denn auch darauf zurück, dass die Genossen vor Ort "noch die Sprache der Menschen sprechen, die zur Arbeit gehen".
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