Michaela Biereth und Schülerinnen und Schüler der Klasse C2C11 Heinrich-Lanz-Schule II Hermann-Heimerich-Ufer 10
68167 Mannheim mail: mi.biereth@web.de
Ihre Anfrage zum Thema Studiengebühren vom 25.02.05
Verehrte Frau Biereth, sehr geehrte Schülerinnen und Schüler der Klasse C2C11,
für die verspätete Antwort möchte ich mich entschuldigen. Sie hatten sich zunächst an den Heidelberger Abgeordneten, Lothar Binding, gewandt, der Ihre Mail an mich zur Beantwortung weitergeleitet hat.
Als Mannheimer Abgeordneter im Deutschen Bundestag bedanke ich mich für Ihre Anfrage zum Thema Studiengebühren. Das Thema ist nicht nur hochaktuell, sondern wird auch in allen Parteien sehr kontrovers diskutiert.
Ich habe mich bereits vor langer Zeit gegen die Erhebung von Studiengebühren für das Erststudium ausgesprochen. Stellungnahmen von mir zu diesem Thema können Sie auf meiner Website www.lothar-mark.de nachlesen.
Studiengebühren sind sozial ungerecht und bildungspolitisch kontraproduktiv. Sie werden dazu beitragen, dass nicht nur immer weniger Kinder aus Haushalten mit geringem Einkommen ein Studium aufnehmen, sondern auch AbiturientInnen aus der Mittelschicht verstärkt auf ein Studium verzichten werden.
Während viele Befürworter für die Einführung von Stipendien und Kreditsystemen plädieren, befürchte ich, dass solche Forderungen äußerst negative Konsequenzen zur Folge hätten, sofern sie sich überhaupt realisieren lassen.
Nach Kalkulationsbeispielen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ergäbe sich bei einer Maximalförderung von 650,- Euro monatlich nach acht Semestern ein Kreditvolumen von 31.200,- Euro zu Beginn der Rückzahlungsphase. Kalkuliert man mit einer günstigen Verzinsung von fünf Prozent und einer Rückzahlung von 183,- Euro monatlich, dann benötigt der ehemalige Student 25 Jahre, um seinen Kredit zurückzuzahlen. Im Übrigen hat auch die Landesregierung in Baden-Württemberg noch kein plausibles Konzept vorgelegt, welche Institutionen denn die so genannten Bildungskredite vorfinanzieren sollen.
Unter diesen Rahmenbedingungen sollten die Befürworter doch einmal eine mögliche Familienplanung nach Beendigung des Studiums betrachten. Wer kann nach Studienabschluss und einer monatlichen Zahlungsverpflichtung von 183,- Euro an Kinder und damit an zusätzliche Kosten denken? Die Gründung einer Familie während des Studiums wird kaum noch möglich sein. Studiengebühren wenden sich also auch in dieser Hinsicht gegen sozial Schwächere, nämlich gegen Familien und Mütter.
Insgesamt ist es aus sozialen, bildungspolitischen und volkswirtschaftlichen Gründen höchst problematisch, Gebühren für ein Erststudium zu erheben. Schon heute können wir unseren Bedarf z.B. an Ingenieuren kaum noch decken. Die Bundesrepublik Deutschland konnte in den vergangenen Jahrzehnten von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren. Im Klartext: Wir können uns gar nicht leisten, dieses essentielle Kapital leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
Unklar bleibt bei den bisherigen Initiativen außerdem, wie und von wem die Studiengebühren genutzt werden dürfen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Einführung von Studiengebühren ein finanzielles Nullsummenspiel für die Hochschulen bedeuten würde. Momentan kommen z.B. die erhobenen Gebühren für Langzeitstudierende in Baden-Württemberg auch nicht in vollem Umfang den Hochschulen zugute, sondern fließen zu einem erheblichen Teil in die Kassen des Landeshaushalts.
Auch wenn der Gesetzgeber festlegen würde, dass die Hochschulen Anspruch auf die Gesamtsumme der Gebühren hätten, so könnte man nicht verhindern, dass die öffentlichen Finanzmittel mittelfristig stark gekürzt werden.
Als Familienvater weiß ich, dass ein Studium auch ohne Gebühren teuer ist. Zudem verlangen wir heute aus guten Gründen von der nachfolgenden Generation, sie möge für ihr Alter und die soziale Sicherung vorsorgen. Es wäre unanständig, sich dann von ihr mit der Bildung auch noch die beste Ressource bezahlen zu lassen, die wir ihr bieten können.
Ich empfehle Ihnen, sich auch an die Landesregierung Baden-Württemberg zu wenden, die mir für den ersten Fragenkomplex der richtigere Adressat zu sein scheint und sich auch klar für die Einführung von Studiengebühren ausgesprochen hat.
Mit freundlichem Gruß
Lothar Mark, MdB
Berlin, 23.03.2005
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