Klassenkrampf
Von Michael Schröder
Es war kein verbaler Ausrutscher, als Franz Müntefering die Macht des Kapitals als Gefahr für die Demokratie bezeichnete. Nachdem der SPD-Chef seine Kritik jetzt wiederholte, zeichnet sich eine Systematik ab. Offen bleibt, ob Müntefering nur den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen beflügeln will oder ob die klassenkämpferischen Ausfälle eine neue Grundsatzdebatte in der SPD auslösen sollen. Eigentlich war dieses Kapitel mit dem Godesberger Programm von 1959 abgeschlossen.
Dennoch kann sich der SPD-Vorsitzende des Beifalls nicht nur vieler Genossen sicher sein. So steht der Kapitalismus immer noch - trotz einschlägiger Erfahrungen mit seinem gescheiterten sozialistischen Gegenmodell - unter Generalverdacht: Er gilt als kalt und profitsüchtig, allmächtig und unmenschlich. Müntefering glaubt, dass er vor allem verunsicherte Wähler auf seine Seite ziehen kann, wenn er die alten Ressentiments bedient. Ganz nach dem Motto: Nicht Rot-Grün ist schuld an der Massenarbeitslosigkeit, sondern das böse Kapital.
Ein gefährliches Ablenkungsmanöver. Wer die Unternehmer pauschal verteufelt, darf sich nicht wundern, wenn diese einen Bogen um die Bundesrepublik machen. Andererseits erleichtern Top-Manager wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann die linke Kapitalismus-Schelte. Denn eine zynische Ökonomie, die die Angst der Menschen vor der Globalisierung nicht ernst nimmt, schafft ein Klima des Misstrauens. Für die Münteferings sind die Ackermänner jedenfalls ein willkommenes Feindbild.
© Mannheimer Morgen - 18.04.2005
Skandal
Von Ulrich Schilling-Strack
Autos zu bauen, das kann sich heute nur noch ein Weltkonzern leisten. Die Pleite von Rover ist deshalb kein Einzelfall. Schon zuvor verschwanden traditionsreiche Marken vom Markt oder flüchteten sich in den Schoß eines Giganten. Das Ende des letzten großen englischen Autobauers erscheint dennoch außergewöhnlich. Selten zuvor hat sich eine Unternehmensführung angesichts des bevorstehenden Untergangs so ungeniert bedient. Vom "unakzeptablen Gesicht des Kapitalismus" sprach ein BMW-Direktor im Zusammenhang mit diesem Geschäftsgebaren. Solche Vorwürfe bleiben eben nicht aus, wenn ein Vorstand klotzig verdient, während die Belegschaft vor dem Nichts steht.
Eine Untersuchungskommission soll nun herausfinden, ob gegen die Regeln verstoßen wurde. Auf Anzeichen für strafrechtliche Fehltritte ist man bisher noch nicht gestoßen. Es scheint durchaus legal zu sein, sich dicke Gehälter zu gönnen, während die Firma den Bach hinunter geht. Die britische Regierung appelliert deshalb an das Gewissen der Rover-Bosse. Deren Antwort steht noch aus. Eine Stiftung könnte vielleicht aushelfen, hat die Unternehmensleitung schon vor ein paar Tagen angekündigt und bisher offen gelassen, wer dort eigentlich etwas einzahlt.
Offene Fragen gibt es auch sonst genug. Zum Beispiel: Ist es wirklich gerechtfertigt, dass von 6000 Rover-Mitarbeitern aller Wahrscheinlichkeit nur vier eine Betriebsrente bekommen sollen - und die sitzen alle im Vorstand? Wenn Unternehmer ein Risiko eingehen, stehen ihnen anständige Gewinne zu. Bei Rover lief das jedoch anders. Dort wurde weder riskiert noch investiert, dafür aber kräftig kassiert - ein Skandal. Und ein nicht ungefährlicher: Denn immer mehr verfestigt sich in der Bevölkerung durch solche Auswüchse der Eindruck, dass es den Wirtschaftsbossen völlig gleichgültig ist, was mit ihren Mitarbeitern geschieht. Hauptsache, sie haben ihre Schäfchen im Trockenen.
© Mannheimer Morgen - 18.04.2005