Gerhard Schröder (rechts) bei der Werksbesichtigung, 3. von rechts: Lothar Mark, dahinter Firmenchef Dipl.Kfm. Stefan Fuchs, links: Dr. Frank Mentrup, dahinter Dr. Ing. Georg Lingg, vorne links: Betriebsrat H. J. Fenske. Auf der Firmenseite Fuchs Petrolub AG finden Sie mehr Bilder und Infos zu dem Besuch.
Auf Einladung des Mannheimer Bundestagsabgeordneten Lothar Mark kam Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Mannheim. Der Besuch des Kanzlers galt dem Unternehmen Fuchs Petrolub und einem Treffen mit Betriebsratsvertretern der großen Mannheimer Unternehmen.
Die knapp bemessene Zeit wurde von allen Beteiligten bis auf die letzte Minute ausgenutzt. Begrüßt wurde der Kanzler bei seiner Ankunft neben Lothar Mark von dem Vorstandsvorsitzenden der Firma Fuchs Petrolub, Stefan Fuchs, gemeinsam mit dem Vertreter des Betriebs, Hans Joachim Fenzke. Die Gesprächspartner waren gut gewählt: Zum einen wurden just an diesem Tag die neuen Geschäftszahlen der Firma bekannt und sie gaben durchaus Anlass zur Zufriedenheit. Zum anderen stellten Vorstandsvorsitzender und Betriebsratsvorsitzender die Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat gleichermaßen konstruktiv und einvernehmlich dar, ein Betrieb also, in dem der Mitbestimmung ein hoher Stellenwert eingeräumt wird.
In einer kurzen Vorstellung des Betriebs durch den Vorstandsvorsitzenden und bei der anschließenden Betriebsführung lernte der Kanzler im Schnelldurchgang die Vielfalt von Schmierstoffen und ihren Anwendungsmöglichkeiten kennen. Dann wandte sich Schröder mit einer kurzen Rede an die Belegschaft, in der er seine Akzente insbesondere auf die Themengebiete Forschung und Entwicklung, Tarifautonomie und betriebliche Ausbildung setzte. Anerkennend beschrieb er die Ausbildungsquote des Betriebs mit 6% als gut, aber noch steigerungsfähig.
Zur anschließenden Betriebsrätekonferenz mit dem Kanzler begrüßte Lothar Mark die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch Schröder hielt sich nicht lange bei der Vorrede auf, er wollte zuhören und etwas erfahren über die Themen und Probleme vor Ort. Diese Gelegenheit nutzten die Betriebsratsvertreter und –vertreterinnen der großen Mannheimer Betriebe Udo Belz (Alstom Power), Joachim Horner (Benz/EvoBus), Maria Schmitt (Bilfinger&Berger), Anna Rittlinger (Eichbaum), Ümit Lehimci (GKM), Reiner Wietstock (John Deere), Monika Herkert (Kaufhof), Werner Ehret (MVV), Wolfgang Katzmarek (Roche Diagnostics), Andreas Rennig (Vögele) sowie der Vertreter der IG Bau, Frank Bensch, dem Kanzler die brennendsten Fragen ihrer Belegschaft vorzutragen. Hierzu gehört immer wieder die drohende Verlagerung von Arbeitsplätzen, verbunden mit der Bitte an den Kanzler, sich bei international agierenden Unternehmen wie z.B. Alstom weiter auf Regierungsebene für den Standort Deutschland stark zu machen.
Die vorgetragenen Probleme der Bauindustrie sah Schröder zum Teil auch in den deutlichen Überkapazitäten, die in der Folge der Widervereinigung insbesondere in den neuen Ländern geschaffen wurden. Diese, so Schröder, seien nicht zu halten und würden weiter abgebaut. Gleichzeitig müsse jedoch auch das Entsendegesetz zügig verabschiedet werden, um Arbeitsplätze in der Baubranche vor Lohndumping zu schützen. Einen staatlich festgelegten Mindestlohn sieht er dagegen im Widerspruch zur garantierten Tarifautonomie.
Angesprochen wurden weiterhin die Probleme der Belegschaften im Einzelhandel mit der ständigen Ausweitung der Öffnungszeiten. Hier sagte Schröder - selbst gelernter Einzelhandelskaufmann - seinen Einsatz für ein Ende weiterer Ausweitungen zu, der Sonntag müssel tabu bleiben.
Von den Betriebsräten vorgetragen wurden insbesondere Fragen zur möglichen Anhebung des Renteneintrittsalters und zur zukünftigen Rentenfinanzierung. Hier sprach sich Schröder vehement für eine Anhebung des faktischen, nicht jedoch des nominalen Renteneintrittsalters aus. Dieses würde lediglich die Spanne zwischen Gesetz und Realität erhöhen, wichtig sei jedoch, dass Menschen tatsächlich länger in einem sozial versicherten Arbeitsverhältnis stünden. Angesichts der demographischen Entwicklung, aber auch im Blick auf die immer noch vorherrschende Mentalität, ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (und „älter“ bedeutet inzwischen schon Mitte vierzig) auf Kosten der Allgemeinheit in den frühzeitigen Ruhestand zu verabschieden. Andererseits pochten die Betriebsräte auf eine kritische Überprüfung der Hartz IV-Vorschriften, denn es ginge nicht an, dass Menschen, die über Jahrzehnte zuverlässig ihre Arbeit gemacht hätten, nun auf dem kürzesten Wege beim Existenzminimums landen. Damit werde auch den Betriebsräten jede Glaubwürdigkeit und jeder Spielraum bei der Aushandlung von Sozialplänen genommen. Angesichts der Dimensionen der Reformen am Arbeitsmarkt bemerkte Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Abschluss, dass in jedem Unternehmen nachjustiert werden müsse, wenn sich das Kerngeschäft ändere. Dies sei in der Politik nicht anders und werde auch so gemacht.
Ein Teil der anwesenden Betriebsräte nach der Konferenz bei Fuchs Petrolub, zu der Lothar Mark eingeladen hatte. Mit dabei DGB-Kreisvorsitzender Stefan Rebmann, Helen Heberer, Dr. Mentrup, Roland Weiss und C. Schöning-Kalender.
Mannheim, 16.08.05
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